• Es sind wieder ein paar schöne Fotobeiträge eingetrudelt. Schau sie dir doch einmal hier an und stimme für deinen Favoriten.

Therapie - und jetzt wird es eher schlimmer...

Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • #1
Ich habe vor bald zwei Monaten großes Glück gehabt und endlich einen Platz bei einer Therapeutin gefunden, die mir sympathisch ist und bei der die Chemie stimmt, weil es mir schon ziemlich lange wegen verschiedener Dinge immer wieder ziemlich schlecht ging...

Die Frau ist gut, würde ich sagen. Sie hat in verhältnismäßig kurzer Zeit Dinge aus mir herausbekommen, die ich bei zwei früheren Therapieversuchen immer tief in mir verborgen hatte... Ich bin nicht dumm, ich kann mich selbst recht reflektiert betrachten, bei meinen beiden früheren Versuchen lief es immer darauf hinaus, dass ich am Anfang hinging, ein bestimmtes Problem beim Namen zu nennen versuchte, dann redeten wir darüber, und reflektiv und mit Worten geschickt, wie ich bin, wirkte ich die ganze Zeit gefasst und wurde recht schnell "geheilt" entlassen.

Die jetzige Frau ist gut, was eigentlich ein Glücksfall für mich ist. Sie beherrscht und benutzt bestimmte Techniken, die eben nicht nur mit verbaler Reflexion funktionieren, und sie kriegt mich damit langsam und zielsicher an die Punkte, die wehtun, die wirklich wehtun, von wo man nach Lösungen suchen kann, die ich mit ihr als Assistentin sicher auch finden werde, da bin ich eigentlich ganz zuversichtlich... Aber solche Prozesse dauern halt.

Gestern habe ich wieder gekämpft wie blöd, bin an Punkte gekommnen, die mich schon seit mehr als einem Jahrzehnt quälen, habe unangenehme Wahrheiten ausgesprochen gekriegt und Wünsche formulieren können, die ich mir früher niemals erlaubt hätte...

Heute werde ich vor schlechtem Gewissen fast verrückt. Habe die ganze Nacht nicht schlafen können, weil ich so aufgewühlt war, weil es so wehtat, mich daran zu erinnern, dass bestimmte Dinge in meiner Biografie wirklich ekelhaft wehgetan haben - und heute habe ich die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen. Die ganze, ganze Zeit lang. Nicht wegen der Gespräche gestern, oh nein, sondern wegen so lächerlichen Dingen wie einem Pickel auf der Nase, schlechter Körperhaltung, einem halbherzigen Lächeln, einer hässlcihen Stimme, weil ich noch nicht abgewaschen habe... Wegen lauter total lächerlichen Dingen.

Ich weiß gerade noch gar nicht, wie ich dieses Wochenende überstehen soll... Es ist noch mehr als eine Woche bis zum nächsten Termin. Letztes Wochenende bin ich auf die Piste gegangen, was gut war, aber ich kann es mir dieses Wochenende nicht wirklich leisten, ich brauche wieder ein bisschen Schlaf, Ruhe, will ein bisschen aufräumen und trotzdem abschalten - und der Sonntag ist bei Lehrern ja sowieso immer ein normaler Arbeitstag. Nächstes Wochenende ist wieder viel Action, also hab ich dieses hier gar keine Zeit für großartig unter Leute zu gehen. Außerdem fühle ich mich gerade auch nciht danach. Ich fühle mich krank. Am liebsten würde ich die ganze Zeit einfach nur die Decke überm Kopf zusammenziehen. Aber dann kommen wieder diese Gedanken...

Wie komme ich denn jetzt bloß durchs Wochenende und schaffe meine Arbeit, die ich da noch schaffen muss? Und wie durch die nächste Woche, die nächsten Wochen?

Ich hätte nie gedacht, dass Therapie so anstrengend sein kann... Früher war das irgendwie immer leichter, da habe ich einfach nur geredet und geredet und mein Problem beim Therapeuten schön in handliche Schubladen verpackt, damit ich es wieder wegpacken konnte. Da ging es nie bis an die Wurzeln. Da war es weniger anstrengend...
 
V
Benutzer97853  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #2
Ich glaube, es ist ganz normal, dass dich die Aufarbeitung durch die Therapie so aufwühlt. Ich kenne verschiedene andere Frauen, die auch in Therapie sind und habe schon ähnliches von ihnen gehört.

Wichtig ist, auf jeden Fall mit deiner Therapeutin beim nächsten Mal darüber zu sprechen, wie es dir jetzt in dieser Woche gegangen ist.

Hast du ihre Nummer? Meine Therapeutin hat mir gesagt, ich könne sie immer anrufen, wenn ich das Bedürfnis hätte, mit ihr zu sprechen.

Es klingt nämlich wirklich toll, was du über sie schreibst. Ich denke, am wichtigsten ist, dass die innere Stimme "Ja!" zur Therapeutin sagt. Wenn man ein mulmiges Gefühl gegenüber einem bestimmten Therapeuten hat, sollte man eine Therapie dort erst gar nicht beginnen. Aber du fühlst dich dort ja wohl und hast das Gefühl, zum 1. Mal richtig an dir zu arbeiten.

Ich würde mir dieses Wochenende einfach viel Gutes tun. Verbring' Zeit mit deinem Freund, leg' dich in die Wanne, lies ein gutes Buch. Lass die Gedanken kommen und gehen. Versuch' dich zu entspannen.

Therapie ist ein Prozess mit Höhen und Tiefen. Ich denke, es ist ganz normal, dass du dich momentan so fühlst. Aufarbeitung braucht Zeit.
 
In Love And War
Benutzer4590  (40) Planet-Liebe ist Startseite
  • #3
Früher war das irgendwie immer leichter, da habe ich einfach nur geredet und geredet und mein Problem beim Therapeuten schön in handliche Schubladen verpackt, damit ich es wieder wegpacken konnte. Da ging es nie bis an die Wurzeln. Da war es weniger anstrengend...

Es war weniger anstrengend, weil der richtige therapeutische Prozess gar nicht erst eingesetzt hat. So wie es klingt, hast du bei deinen früheren Therapieversuchen nie wirklich zugelassen, dass an und in dir "gearbeitet" wird, du hast dich nie komplett geöffnet und Dinge verborgen, die an die Oberfläche gemusst hätten.

Aber deine jetzige Therapeutin schafft es offenbar, das alles aus dir rauszuholen und deine Barrikaden aufzubrechen; das ist schmerzhaft, aber es ist auch gut, dass es schmerzhaft ist - dadurch weißt du, dass du auf der richtigen Spur bist. Heilungsprozesse funktionieren oft so, dass es erst schlimmer wird und danach besser; man hält die Verschlimmerung besser aus, wenn man sie als Zeichen dafür betrachtet, dass die Therapie wirkt.
 
darkangel001
Benutzer48617  (38) Meistens hier zu finden
  • #4
Vielleicht hilft es deinem schlechten Gewissen (jedenfalls bei einigen Sachen), wenn du dir einen Zeitplan machst. Um die Zeit wäscht du ab, dann machst du die Wäsche, dann bereitest du den Unterricht für Montag vor ... und am besten schreibst du dir einige Aufgaben auf, die eben noch warten können, die nicht sofort an diesem Wochenende erledigt werden müssen. So hast du vor Augen, was noch zu tun ist, kannst aber auch guten Gewissens abschalten und nichts machen.

Was diese irrationalen Gedanken angeht - das ist echt schwer. Wenn du niemanden triffst am Wochenende, nicht wirklich rausgehst, dann kannst du dir sagen: Ist doch egal, wie ich ausseh, mich sieht ja keiner. Und wenn du rausgehst, solltest du dies entweder mit wirklich, wirklich guten Freunden tun ("Die wissen, ich seh nicht immer so aus, die akzeptieren das" - selbst wenn du gar nicht schlimm aussiehst, wenn der Gedanke da ist, ist er nunmal da) oder mit Fremden ("Die seh ich nie wieder, denen kann das egal sein").

Vor allem musst du akzeptieren, dass du momentan in einer schwierigen Phase bist, in der es normal ist, sich mal dreckig zu fühlen. Das ist vollkommen normal, das darf jeder - auch Lehrer. Und aus diesem Grund darf auch Unterricht mal nachlässig vorbereitet sein und man darf mal ein wenig verschlossener den Schülern gegenüber sein. Das ist menschlich. Klar spielt man eine "Rolle", sobald man vor der Klasse steht, aber auch Schüler müssen lernen, dass Lehrer nur Menschen sind und Probleme haben. Die sollst du ihnen natürlich nicht auf die Nase binden und natürlich musst du präsent sein - aber dann sieh es vielleicht tatsächlich als eine Rolle, die du verkörperst. Zu Hause darfst du DU sein. Egal, wie du aussiehst, egal, wie du dich fühlst.
 
Theoderich
Benutzer107327  (39) Planet-Liebe Berühmtheit
  • #5
Ich denke auch, das ist ein Anzeichen, dass sich in der Therapie wirklich was tut.
Da werden Dinge hochgeholt, die man lange lange verdrängt oder sonstwie abgewehrt hat. Natürlich versucht man dann auch Hilfen zu geben mit dem hochgeholten umzugehen.
Also vom Prinzip her hört sich gut an, dass du jetzt diese Dinge bearbeiten statt wegpacken kannst.

Hoffe dir hilft es etwas dir klarzumachen, dass diese Aufgewühltheit nicht so ungewöhnlich ist. Falls du der Typ dazu bist: Wann immer du schlechtes Gewissen oder so kriegst: Geh einen Schritt zurück, versuch von außen auf dich zu schauen und frag dich: Moment mal, gibt es dafür eigentlich einen Grund, oder ist das ganz ok was ich tue?
Nur mal als Idee.

Off-Topic:
Magst du erzählen, was für eine Therapeutin das ist? Also welche Art von Verfahren sie anwendet? (Kannst mir auch ne PN schicken, falls du da nichts posten willst.
 
unklar
Benutzer98976  Sehr bekannt hier
  • #6
Es sind viele sehr gute Beiträge verfasst worden. Deshalb kann ich nur noch wenig hinzufügen, außer: Du bist wirklich nicht allein damit. Ich habe ähnliche Erfahrungen mit meiner Therapeutin gemacht und mache sie noch. Was ich nach so einer 'fiesen' Phase aber jedesmal spürte: Eine Erleichterung, eine Verbesserung meiner Grundstimmung und insgesamt mehr Lebensqualität. Und zwar jedesmal ein bisschen mehr.
Häufiger erwischt mich, wenn ich mich von solch einer anstrengenden Phase ein wenig erholt habe, sogar ein besonderer Fluss an Kreativität. Da fließt es mit dem Schreiben, mit der Uni, mit den guten Gesprächen unter Freunden...
...wart ab, Dich ja vielleicht auch.

Sprich das mit dem schlechten Gewissen bei Deiner Therapeutin an. Sie wird Dir vermutlich Ähnliches sagen wie Theoderich oder darkangel, aber es von einem 'realen' Menschen von Angesicht zu Angesicht zu hören könnte sehr heilsam sein.
Es wird sicherlich noch einige Male anstrengend werden, aber hej! Du machst das für Dich und Deine Lebensqualität, Deine Gesundheit, Dein Glück.
Du hast das verdient...der Abwasch kann ja mal stehenbleiben.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #7
Das schlechte Gewissen ist ja eigentlich das, worum es ging... Das schlechte Gewissen wegen meiner Schriftstellerei und so, und wo das herkommt. Und diese Zerrissenheit zwischen Tag-Beruf und Nacht-Beruf. Haben wir ja schon drüber gesprochen.

Die Dame arbeitet systemisch-gestalttherapeutisch oder so ähnlich, jedenfalls irgendwas modernes, wenn ich das richtig verstanden habe.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #8
Hab jetzt zu allem Überfluss noch eine grippige Erkältung mit leichtem Fieber gestern (heute allerdings zumindest jetzt gerade nicht) bekommen... War dieses Jahr aber schon mal erkältet-krank!

Bin jetzt gerade ganz unsicher, ob ich morgen arbeiten gehen soll oder nicht... Fieber hab ich ja keines mehr, aber irgendwie gehts mir trotzdem noch mies... Alles doof. Zumal die nächsten Tage auch noch einige Extra-Termine sind, die ich eigentlich einhalten sollte...
 
N
Benutzer97029  (32) Verbringt hier viel Zeit
  • #9
Ich weiß zwar nicht worum es genau geht, kann dir aber aus eigener Erfahrung sagen, dass es mit der Zeit besser wird. Zwar erst nach einiger Zeit, aber immerhin. Am Anfang ist es eben sehr schmerzhaft wenn man sich allem stellen muss indem man es ausspricht, davon träumt und oft darüber nachdenkt.

Also, durchhalten! Ich weiß wie schmerzhaft das sein kann, aber ich verspreche dir, dass es besser wird. Auch wenn es sein kann, dass es zwischendurch wieder Tiefen gibt.
 
Pure Honey
Benutzer42447  (38) Meistens hier zu finden
  • #10
Könnte auch sein, dass du jetzt ein bisschen psychosomatisch reagierst. Dein Körper dir jetzt also verklickern will: Halt, kurze Auszeit nötig...weil du dir selbst es nicht traust. Könntest du vielleicht mal 2 Tage zu Hause bleiben?
 
In Love And War
Benutzer4590  (40) Planet-Liebe ist Startseite
  • #11
Wenn es dir schlecht geht, bleib zuhause und ruh dich aus. Du hast einen fordernden, anstrengenden Job, wenn ich mich recht erinnere; außerdem bist du grade durch die Therapie psychisch etwas angeschlagen. Da tust du dir keinen Gefallen, wenn du jetzt auch noch über deine körperlichen Kräfte gehst.
 
A
Benutzer115534  (41) Verbringt hier viel Zeit
  • #12
Höre dich.

Wieso therapierst du dich nicht selbst?
Die Antworten auf deine Fragen hast du
doch alle selbst.

Gruß
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #13
Off-Topic:
Wieso therapierst du dich nicht selbst?
Die Antworten auf deine Fragen hast du
doch alle selbst.

Gruß

Therapie ist ja nicht "Antworten auf Fragen finden", sondern "Gesund werden, wenn man vorher krank war"? Das ist doch was ganz anderes.
 
A
Benutzer115534  (41) Verbringt hier viel Zeit
  • #14
Wirklich? Willst du nicht wissen wieso
du krank bist?

Gruß
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #15
Wirklich? Willst du nicht wissen wieso
du krank bist?

Gruß

Ich will gesund werden, deswegen mach ich die Therapie :zwinker:. Warum ich krank geworden bin, weiß ich selbst... Aber den Weg zur Gesundheit habe ich alleine nicht geschafft, obwohl ich es seit Jahren versucht habe (und phasenweise auch geschafft). Mittelfristig wurde es eher schlimmer, weil zu viele Ressourcen dafür drauf gingen, Dinge zu unterdrücken, die wehtaten.

Vor einem Monat hatte ich dann folgende Symptome:

- Angstattacken, wenn ich alleine unter der Dusche war
- Angstattacken, wenn ich alleine im Schlafzimmer war
- Alle zwei bis drei Tage grundloses Losheulen, teilweise war mir das peinlich, teilweise war ich verzweifelt
- Spontanes, nichtkontrollierbares Händezittern
- regelmäßige Selbstmordgedanken
- Selbsthass, fehlendes Körpergefühl, Fressattacken und Hungerphasen im Wechsel
- Soziale Isolation (alles, was mit "unter Leute zu tun" zu tun hatte, machte mir körperliche Übelkeit).
- Beständige Erschöpfung, die sich wirklich so anfühlte, als ob mein Körper aus Blei wäre.

War nicht schön. Hat tierisch viel Kraft geraubt. Wurde langsam zu einem Selbstläufer, der mich noch kranker machte.

Das Wissen, wo es ungefähr hinkam und wie eine Lösung irgendwann aussehn konnte, nützte mir ganz genau gar nichts. Ich griff trotzdem immer wieder nach der Nagelschere und stellte mir vor, mit ihr Muster in meinen Unterarm zu ritzen oder mich mit Schlaftabletten im Wald ganz langsam in eine andere Welt davontreiben zu lassen.

***

Und du willst mir jetzt erzählen, ich sollte mich selbst therapieren?

Ich kann mich selbst lenken und steuern und meine Emotionen so kontrollieren, dass ich damit niemand Fremdem Schaden zufüge und meine wirklich wichtigen Ziele im Leben auch erreiche. Ich habe vier oder sogar sechs Jahre durchgehalten, Dinge, an denen ich fast zerbrochen bin, wenn dann die Batterien leer waren, noch mehr Dinge aufgeladen bekommen, jahrelang mit beruflicher Angst leben müssen, von der ich ständig Magenschmerzen hatte...

Nein, ich kann mir das nicht alles alleine wegtherapieren, auch wenn ich weiß, wo es herkommt. Dafür war "es" (das, was ich hier nicht ausspreche, was aber verdammt schmerzhaft und verdammt tief und verdammt weit zurück in die Vergangenheit geht) viel zu schmerzhaft.

***

Muss ich ja glücklicherweise auch nicht.

---------- Beitrag hinzugefügt um 21:11 -----------

Wenn ich mir das gerade noch mal so durchlese, dann ist es jetzt gar nicht "schlimmer" geworden... Die ersten drei, vier Wochen hat mich anscheinend die Euphorie darüber, dass ich endlich Hilfe bekomme, irgendwie getragen - aber letztlich ist es gar nicht so, dass es jetzt schlimmer ist als vorher... Na ja, irgendwie schon, weil ich es jetzt bewusster wahrnehme und es mir noch viel schlimmer vorkommt - aber objektiv ist es zwar ein Rückfall, aber ein bisschen weniger schlimm als der Normalzustand vor Therapiebeginn ist es vielleicht ja doch?

Und selbst wenn nicht - ich habe ja noch ein bisschen Zeit für meine Gesundung...
 
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A
Benutzer115534  (41) Verbringt hier viel Zeit
  • #16
...

Ist ja günstig das du die Gründe
kennst. Erzählst die der Therapeutin
oder nur die Auswirkungen?

Gruß
 
squarepusher
Benutzer54457  (38) Sehr bekannt hier
  • #17
hallo ShinyFlame :smile:

du machst die therapie seit erst einigen wochen. es klingt vielleicht hart, aber während einer psychotherapie kann es vorkommen, dass das beschwerdebild bzw. der leidensdruck von therapiesitzung zu therapiesitzung und über einige wochen auch mal größer wird. psychotherapien sind nichts kleinräumiges, kurzfristiges, sondern eine längerfristige "beschäftigung" mit sich selbst. sich plötzlich mit dingen auseinanderzusetzen, die man bisher, um quasi alltäglich möglichst gut zu funktionieren, tunlichst weit "unten" abgelegt hat, beschränkt sich nicht nur auf die praxis des therapeuten/der therapeutin. leider begleitet einen das dann auch im alltag, einfach weil es durch die thematisierung während der therapie oder auch nur durch den "state of mind", sich nun offen mit den eigenen problemen zu beschäftigen, nach "oben" geholt wird.

der eindruck, dass es schlimmer wird, ist also irgendwo verbreitet, soweit ich weiß. versuch einerseits, das auch als chance zu sehen: dadurch, dass sich gewisse ängste manifestieren, hast du sie greifbar und kannst dich "direkter" mit ihnen auseinandersetzen, als wenn du sie nur als unheilvolles etwas quasi am horizont sehen würdest. andererseits solltest du es deiner therapeutin auch sagen - denn dir auch dadurch zuhelfen, gehört immerhin zu ihren aufgaben.

eine therapie ist immer eine konfrontation, und die konfrontation mit den eigenen "dämonen" im rahmen dieser therapie muss nichtmal neu sein. jeder von uns hat psychische selbstheilungsfähigkeiten und sich schon mit selbigen dämonen unzähligemale auseinandergesetzt, bevor er/sie überhaupt zur therapie geht. der wesentliche unterschied zur konfrontation während einer therapie ist: nicht alle selbstheilungstechniken sind während einer therapie konstruktiv. etwa etwas zu verdrängen ist eine klassische form der "selbsttherapie" - während einer psychotherapie soll aber in der regel nichts für den leidensdruck entscheidendes verdrängt werden. auch ist die person des neutralen, empathischen und geschulten therapeuten/der therapeutin entscheidend - in der beschäftigung mit sich selbst - alleine - fehlt einem die distanzierte, aber aufmerksame stimme aus dem off - ohne die man nie erkennen kann, wann man sich selbst, den eigenen ängsten und emotionen, wieder einmal aufgesessen ist.

ich meine damit, dass eine therapie oft auch "gegen" das wirken kann, was man bisher als unerläßlich fürs eigene wohlempfidnen wahrgenommen hat: etwa eine aufrechte verdrängung. man erlebt während einer therapie vieles, auf das man sich nicht vorbereitet hat - nach "schema f" läuft kaum etwas ab. das alles sind aber prozesse, die über jahre gehen können. dass du nach ein paar wochen dieses gefühl der verschlimmerung des leidensdrucks hast, ist etwas, das du meiner ansicht nach im auge behalten solletst, das aber noch nichts darüber aussagt, ob deine therapie schlecht läuft. man könnte es auch als anzeichen sehen, dass sie erste erfolge darin zeigt, dinge heraufzuholen.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #18
Ist ja günstig das du die Gründe
kennst. Erzählst die der Therapeutin
oder nur die Auswirkungen?

Gruß

So günstig ist das gar nicht... Die Leute kennen die Gründe ja meistens - und werden trotzdem nicht gleich gesund.

Ich habe damit losgelegt, dass ich erst mal die Auswirkungen erzählt habe, wegen denen ich zu ihr komme. Als nächstes haben wir überlegt, woran ich erkennen will, wenn ich gesund geworden bin, was in meinem Leben sich dann verändern und anders anfjühlen wird, und jetzt sucht sie gemeinsam mit mir mittels bestimmter Techniken, Gesprächen, etc. nach Ursachen, wobei gleich der Fokus mit auf Ressourcen gelegt wird, die früher oder später zur Heilung beitragen können.

Sie ist jemand, der "ressourcenorientiert" und "lösungsorientiert" arbeitet, und hat mir am Anfang erklärt, dass sie immer so arbeitet, dass sie davon ausgeht, dass ich alles, was ich zum Gesundwerden brauche, bereits besitze. Sie sieht ihre Aufgabe nicht darin, mich als "Halbgöttin in weiß" zu heilen, sondern mich auf dem Weg zu begleiten, auf dem ich lernen kann, bestimmte Dinge in meiner Vergangenheit zu "befrieden", ohne sie zu verdrängen, und Lösungen zu finden, die in meiner jetzigen Lebenssituation angemessen sind.

der eindruck, dass es schlimmer wird, ist also irgendwo verbreitet, soweit ich weiß. versuch einerseits, das auch als chance zu sehen: dadurch, dass sich gewisse ängste manifestieren, hast du sie greifbar und kannst dich "direkter" mit ihnen auseinandersetzen, als wenn du sie nur als unheilvolles etwas quasi am horizont sehen würdest. andererseits solltest du es deiner therapeutin auch sagen - denn dir auch dadurch zuhelfen, gehört immerhin zu ihren aufgaben.

Letzte Nacht habe ich extrem schlecht geschlafen. Ich hatte solche Angst vor den Angstattacken beim Schlafengehen, dass ich mich ewig nicht ins Bett getraut habe, am Ende habe ich mit Wärmflasche, Kopfhörern, Handy-Game, Buch und Licht an für einen dicken Panzer gesorgt, der die Angst draußen halten sollte - und habe trotzdem gefühlte Stunden lang heftig zitternd im Bett gelegen und hatte diffuse, schwer greifbare Angst (@ Angreifer: bei der es auch nichts nützt zu wissen, dass sie ihre erste Ursache darin hatte, dass meine Eltern sich früher vor ihrer Scheidung stets nur bei Nacht gestritten haben und ich dann später noch ein paar andere Themen mit "Angst beim Einschlafen" verknüpft habe, zuletzt bei einem Exfreund, der ein "Nein" nicht so gerne akzeptieren wollte, wenn ich es nicht laut und klar gesagt hatte). Die Angst ist trotzdem da.

Letztes Mal hat sie mit mir zum Abschluss eine Übung zu "sicheren Orten" gemacht, damit ich mich abschließend etwas entspannen konnte - was auch schön war. Ich schaffe es im Moment aber noch nicht, das im Alltag wieder aufzugreifen.

ich meine damit, dass eine therapie oft auch "gegen" das wirken kann, was man bisher als unerläßlich fürs eigene wohlempfidnen wahrgenommen hat: etwa eine aufrechte verdrängung. man erlebt während einer therapie vieles, auf das man sich nicht vorbereitet hat - nach "schema f" läuft kaum etwas ab. das alles sind aber prozesse, die über jahre gehen können. dass du nach ein paar wochen dieses gefühl der verschlimmerung des leidensdrucks hast, ist etwas, das du meiner ansicht nach im auge behalten solletst, das aber noch nichts darüber aussagt, ob deine therapie schlecht läuft. man könnte es auch als anzeichen sehen, dass sie erste erfolge darin zeigt, dinge heraufzuholen.

Vermutlich ist das so. Es ist ja auch nachvollziehbar. Letztlich ist es ja auch ein Schutzmechanismus der Seele, dass sie sich zu schnellen Veränderungen entgegensetzt.

Es ist nur höllisch anstrengend im Moment. Nach der letzten Nacht habe ich heute beschlossen, dass ich doch zur Ärztin gehe und mich krank schreiben lasse - gestern habe ich die Arbeit zwar irgendwie geschafft, aber gut war ich garantiert nicht. Und meine Erkältung ist auch schlimmer geworden. Richtig böse in die Kieferhöhlen reingezogen.

Wir werden sehen, wie es weitergeht. Letztlich muss sie den Mist ja auch schrittweise hochholen, damit sie mit ihrem objektiven Blick von außen Strategien für mich entwickeln kann. Ist schon merkwürdig... Mit meinem ganzen Backgroundwissen könnte ich das meiste, was sie tut, bei einem anderen Menschen vermutlich auch annähernd so machen wie sie - aber es ist völlig unmöglich, das ganze für mich selbst zu machen, wenn die alten Negativ-Emotionen erst mal hochkommen.

Aber ich vertraue ihr da als Coach, dass sie mich da durchbringen kann. Ist mir heute morgen so klargeworden. Vielleicht ist es auch okay, wenn ich jetzt eine miese Woche habe, in der viel hochkommt - dann habe ich nächste Woche mehr "innere Zustände", die von einer Lösung profitieren können...

***

Doof ist es jetzt gerade trotzdem. Diese diffuse Angst ist immer noch da und paralysiert mcih fast. Nachher werde ich vielleicht ein bisschen aufräumen... Oder ich lege mich ins Bett, bis ich zu meinem Termin muss.
 
Bondage
Benutzer53338  Meistens hier zu finden
  • #19
Hallo ShinyFlame,

bei solchen Angstattacken durch die ich in alte Situationen bzw. Erinnerungen zurückgezogen wurde hat es mir immer sehr geholfen mir ganz bewusst über meine Umwelt zu werden.

Also wenn ich beispielweise im Bett lag mal ganz bewusst den Stoff der Bettdecke ertasten - wie fühlt sich der auf der Hand an? Weich, eher kratzig und wie ist das, wenn ich den Stoff durch die Finger gleiten lasse? Wie fühlt sich das an sich aufzusetzen und den nackten Fuß über den Teppichboden zu reiben? Kurz gesagt: Reize im Körper aktivieren und sich ganz bewusst auf bestimmte, nicht bedrohliche Gefühle konzentrieren.

Ich habe das Gefühl das du dich im Moment noch sehr stark gegen diese negativen Emotionen wehrst. Ich lerne in meiner Therapie diese Zustände "auszuhalten" und zu akzeptieren, aber auch zu erkennen das sie nicht zu mir und meinem "erwachsenen Ich" gehören, sondern der kindliche Anteil in mir sind und für den ist es absolut in Ordnung angst haben zu dürfen und sich schlecht zu fühlen - so lange ich ihm klar machen kann, dass die Gefahr vorbei ist und kein Grund zur Angst besteht.

Wichtig ist also zu erkennen, dass die Angst die besteht von einem Teil in dir ausgelöst wurde, der sehr verletzt ist. Meine Therapeutin hat mir geraten in Situationen, die mir angst bereiten mit mir selbst lieb umzugehen und die Angst zu akzeptieren und nicht wegzuschieben, weil genau das immer in der Vergangenheit passiert ist.

Mir hilft es dann auch in Situationen, die angsteinflößen sind die Umgebung genau zu beobachten. Zum Beispiel beim Einkaufen: löst bei mir Angstattacken und Panik aus, wegen der vielen anderen Menschen. Meine Therapeutin meinte, ich solle dann doch mal genau darauf hören was mir angst bereitet. Klar, andere Menschen - und dann einfach mal sehen, worin die Angst besteht. Angst besteht darin angegriffen zu werden. Okay. Und welche Anzeichen gibt es jetzt genau dafür? Schauen mich die Menschen böse an? Wie sieht ein Mensch aus der aggressiv ist, wie verhält er sich und stimmen diese Anzeichen mit denen überein, die ich momentan sehe? Nein. Der Mensch vor mir an der Kasse legt nur seine Artikel auf das Band. Er wirkt vielleicht etwas gehetzt, weil es voll ist, aber er erweckt nicht den Eindruck mich angreifen zu wollen. Sein Gesichtsausdruck ist nicht wütend und die Körperhaltung entspricht nicht der eines Angriffes. Und das sollte man dann versuchen dem verletzten Anteil in einem zu erklären: es besteht keine Gefahrensituation und es ist alles in Ordnung, nichts wird passieren und niemand wird einem weh tun. Und selbst wenn: man befindet sich nicht mehr in der Situation von früher, in der man hilflos war - jetzt ist der starke Anteil da, der den schwachen beschützen kann, der sich wehren und durchsetzen darf.

Inwiefern dir das hilft, keine Ahnung. Inwiefern du das für dich umsetzen kannst weiß ich nicht - das musst du für dich selbst finden und mit deiner Therapeutin besprechen.

My two cents.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #20
Nachdem ich in letzter Zeit einige Male in anderen Threads davon gelesen habe, dass Psychotherapie angeblich sowieso nichts bringen würde und einen eher dazu bringen würde, sich noch schlimmer und einsamer und was-weiß-ich zu fühlen, hole ich meinen Thread noch mal hoch, um all denen Mut zu machen, die sich an einen solchen Schritt vielleicht nicht herantrauen, obwohl es ihnen gut tun würde.

Ich zitiere hier einen Beitrag in leicht abgewandelteter Form aus dem letzten Februar, also vor gerade einmal fünf Monaten:

Ich will gesund werden, deswegen mach ich die Therapie :zwinker:. Warum ich krank geworden bin, weiß ich selbst... Aber den Weg zur Gesundheit habe ich alleine nicht geschafft, obwohl ich es seit Jahren versucht habe (und phasenweise auch geschafft). Mittelfristig wurde es eher schlimmer, weil zu viele Ressourcen dafür drauf gingen, Dinge zu unterdrücken, die wehtaten.

[Im Januar und auch in den Monaten davor] hatte ich dann folgende Symptome:

- grausame Angstattacken, wenn ich alleine unter der Dusche war
- grausame Angstattacken, wenn ich alleine im Schlafzimmer war
- mehrfach in jeder Nacht voller Angst und Anspannung hochschrecken
- Alle zwei bis drei Tage grundloses Losheulen, teilweise war mir das peinlich, teilweise war ich verzweifelt, ich hab es einfach nicht mehr weggekriegt, die Tränen brachen dann einfach aus mir heraus und ich fand teilweise nicht mal einen Grund dafür
- Spontanes, nichtkontrollierbares Händezittern
- regelmäßige Selbstmordgedanken
- Selbsthass, fehlendes Körpergefühl, Fressattacken und Hungerphasen im Wechsel
- Soziale Isolation (alles, was mit "unter Leute zu tun" zu tun hatte, machte mir körperliche Übelkeit).
- Beständige Erschöpfung, die sich wirklich so anfühlte, als ob mein Körper aus Blei wäre.

War nicht schön. Hat tierisch viel Kraft geraubt. Wurde langsam zu einem Selbstläufer, der mich noch kranker machte.

Inzwischen gab es zwei Mal Phasen, in denen ich das Gefühl hatte, dass es noch viel schlimmer, viel akuter wurde, und ich war im Endeffekt auch zwei Mal für eine Woche von meiner Hausärztin krank geschrieben, weil es so schlimm war, dass ich es einfach kaum noch ausgehalten habe.

Also ja, eine Therapie kann es erst mal tatsächlich noch viel, viel schlimmer machen.

Aber: In gerade mal sechs Monaten habe ich folgende Erfolge erzielen können:

- grausame Angstattacken, wenn ich alleine unter der Dusche war
--> Jetzt geh ich einfach ganz normal duschen, wann immer mir danach ist, und kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass mir das je Schwierigkeiten gemacht hat.

- grausame Angstattacken, wenn ich alleine im Schlafzimmer war, dazu nachts mehrfach voller Angst und Anspannung hochschrecken
Nach vier Monaten Therapie fing es an, dass ich manchmal beinahe friedlich einschlafen und dann auch durchschlafen konnte. Inzwischen war ich mehr als einmal in der Lage, abends friedlich in meine Kissen zu kuscheln, die Decke hochzuziehen und mir vorzstellen, ich bin am Meer, alles ist schön. Inzwischen ist es fast die Regel, dass ich durchschlafe und am nächsten Morgen das Gefühl habe, mit neuer Kraft in den Tag gehen zu können.

- Alle zwei bis drei Tage grundloses Losheulen, teilweise war mir das peinlich, teilweise war ich verzweifelt, ich hab es einfach nicht mehr weggekriegt, die Tränen brachen dann einfach aus mir heraus und ich fand teilweise nicht mal einen Grund dafür
Mein letzter Weinanfall ist mehr als zwei Monate her.

- Spontanes, nichtkontrollierbares Händezittern
Ist sehr, sehr selten geworden. Und wenn es doch passiert, hab ich gelernt, damit umzugehen und es elegant und relativ entspannt zu überspielen, so dass ich jetzt nicht mehr die ganze Zeit Angst davor habe, dass es wieder passiert.

- regelmäßige Selbstmordgedanken
Jetzt überhaupt keine mehr. Stattdessen räume ich öfter in meiner Wohnung auf, damit sie auch in Zukunft schön ist, und schaffe Kleinigkeiten dafür an. Statt der Selbstmordgedanken hat sich jetzt in mir der Gedanke festgesetzt, dass es eine Zukunft geben wird und dass sie gut werden wird.

- Selbsthass, fehlendes Körpergefühl, Fressattacken und Hungerphasen im Wechsel
Daran arbeite ich noch :zwinker:. Das hatten wir als untergeordnete Priorität festgelegt, aber es ist möglich, dass das eines der nächsten Arbeitsthemen in der Therapie wird.

- Soziale Isolation (alles, was mit "unter Leute zu tun" zu tun hatte, machte mir körperliche Übelkeit).
Auch daran arbeiten wir noch. Aber inzwischen ist es mir einige Male wieder gelungen, mich auf private soziale Interaktion einzulassen und es halbwegs genießen zu können. Hier zumindest leichte Verbesserung.

- Beständige Erschöpfung, die sich wirklich so anfühlte, als ob mein Körper aus Blei wäre.
Erschöpft bin ich immer noch oft. Aber anders als vor einem halben Jahr kann ich inzwischen nachts durchschlafen, so dass sie langsam und beständig weniger wird.

***

So. Wie man sieht, ist noch längst nicht alles gut, aber vieles, vieles, vieles ist besser geworden.

Zwei Mal in sechs Monaten hatte ich Phasen und Schübe, in denen es noch schlimmer als vor Therapiebeginn wurde. Aber nach einem solchen Schub wurde es jedes Mal ein Stück besser als davor.

Von daher: Jeder, der behauptet, Therapie bringe eh nichts, kriegt von mir in Zukunft diesen Thread und insbesondere dieses Update gepostet. Therapie bringt sehr wohl was. Sie wirkt keine Wunder, sie erfordert harte Arbeit und kann manchmal echt schlauchen.

Aber es lohnt sich.

***

Heute hatte im Anschluss an die Sitzung mit meiner Therapeutin noch ein Gespräch, in dem sie meinte, dass sie es schön findet, dass sie bei mir merkt, dass ich wirklich gesund werden will und auch dafür kämpfe und daran arbeite. Es gäbe leider auch viele Leute, die immer nur davon reden wollen, wie schlecht es ihnen doch geht.

Ich glaube, das ist auch ein ganz wichtiger Punkt, damit Therapie gelingt. Man muss gesund werden wollen - dann kann der Therapie-Coach einem dabei helfen. Manchmal hat man so kleine innere Widerstände, die einem einreden wollen, dass man besser krank bleiben soll, weil man eh nix besseres verdient - die kann man in der Therapie ja auch ansprechen.

Ich hab lange überhaupt nicht daran geglaubt, dass es für mich möglich wäre, gesund zu werden.

Und jetzt - jetzt bin ich es schon fast. Eine Zeitlang werden wir noch weiter arbeiten, denke ich, aber die Abstände zwischen den Sitzungen werden größer.

***

Also: Wenn es irgendjemandem da draußen schlecht geht, auf eine Art schlecht, dass es eben nicht mehr nur was mit einem schlechten Tag oder "normaler Traurigkeit" zu tun hat, wenn da irgendjemand sitzt, das hier liest und selber denkt "Bei mir ist es aber ganz anders, es ist normal geworden, sich so zu fühlen, da komm ich eh nicht mehr raus" - Doch. Man kommt da raus. Nur schafft man es manchmal nicht alleine.

Aber dafür gibt es ja Hilfe.
 
BigDigger
Benutzer76250  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #21
Erstmal ein großes, Reiner-Calmund-dickes Dankeschön, Shiny, dass Du so offen damit umgehst. Mir hilft das auch schon - jetzt weiß ich zumindest, was dann irgendwann mal auf mich zukommt, wenn die Warteliste abgearbeitet ist.

Es ist schön zu lesen, dass es so gravierende Fortschritte gibt. Dass in ein paar Monaten noch nicht alles gut sein kann, was über Jahre schlecht war, ist, glaube ich, auch Dir klar, oder? Vielleicht machst Du ja sogar bessere Fortschritte, als zu erwarten gewesen wäre... Und die beiden Schübe würde ich aus Außenstehender als ganz normale Reaktion darauf werten, dass Dein Gehirn mit Dingen konfrontiert wird und sich damit auseinandersetzt, die seit Jahren unter einem dicken Panzer begraben waren, ohne sie aktiv zu besiegen. Und das geschieht eben genau jetzt.

Das Aufbrechen des Panzers, das ist das Schwere. Ich kenne das auch. Es war schwer, meinen Hausarzt zu eröffnen, was in meinem Kopf vorgeht. Ich habe gezittert wie Espenlaub, mein Kreislauf war nah am Kollaps. Als ich dann beim Erstgespräch bei der Psychotherapeutin saß, war es schon etwas leichter - als ich da rausging, fühlte ich mich schon einen Tick besser, nur weil ich das mal losgeworden bin - obwohl ich gerade mal an der Oberfläche gekratzt habe. Durch Deine Schilderungen kriege ich eine vage Ahnung, was da noch kommen mag, dabei sind mir physische Effekte wie Angstattacken, grundloses Weinen (wobei: Sei Dir sicher, grundlos war das nicht - Du warst Dir des Grunds nur nicht bewusst...) oder Händezittern sogar noch fremd.
 
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