• Es sind wieder ein paar schöne Fotobeiträge eingetrudelt. Schau sie dir doch einmal hier an und stimme für deinen Favoriten.

Behinderung und Beziehung/Einsamkeit/Sexualität

D
Benutzer143693  (48) Benutzer gesperrt
  • #1
Hallo, kurz zu mir: Ich heiße Dorothea, bin auf den Rollstuhl angewiesen und lebe deshalb in einer betreuten WG mit anderen Rollstuhlfahrerinnen. Mein Problem ist, dass ich faktisch einsam bin. Ich würde mir eigentlich eine eigene Familie wünschen, aber dazu fehlt mir einfach der passende Mensch *lach*.
In der WG spürt man die Einsamkeit auch nicht so sehr, alle sind beschäftigt, eine Art Ersatzfamilie sozusagen. Und dann gehen die Tage ins Land und spätestens zu den Feiertagen ist das Problem dann offensichtlich...
Ich bin jetzt auch schon länger alleine, meine letzte "Beziehung" liegt schon knapp 4 Jahre zurück. Häufig habe ich mich in den letzten Beziehungen auch nicht wirklich wohl gefühlt, sondern eher ausgenutzt. Aber Kopf, Herz und Körper sind halt dennoch da und melden einem ja auch Bedürfnisse und ich merke, dass mir zum Einen sehr viel fehlt und dass ich beginne mir Ersatz zu suchen und ich merke, dass das eigentlich nicht der richtige Weg ist. Es ist so, dass ich mich wohl in meine Hauptpflegerin verliebt habe. Ich weiß, das ist das typische Abhängigkeitsverhältnis. Es ist nicht gut, weil nicht erfüllbar und auch nicht realistisch. Aber sie ist eben der Mensch, der mir momentan emotional und körperlich am nähesten kommt. Normalerweise ist man bei fremden Menschen, medizinischem Personal in intimen Situationen eher gehemmt, aber sie ist so ein lieber und fürsorglicher Mensch, mit so tollen Augen, dass ich mich tatsächlich in sie verliebt habe. Und ich genieße inzwischen die Nähe und das Vertrauen, die zwischen uns ist. Ich weiß wohl, dass das von ihrer Seite her absolut professionell geschieht und ich mir keine Hoffnungen machen darf. Aber für mich ist es eben momentan der einzige körperliche Kontakt und ich habe gemerkt, dass sich das bei mir auch körperlich, sprich auf der erotischen Ebene bemerkbar macht. Sie würde diese Grenze natürlich nie überschreiten, auch wenn dass Thema Surrogatpartnerschaft momentan stärker ins Bewußtsein rückt. Ist bestimmt für viele hier schwer vorstellbar, aber wenn das Schamgefühl, das man in intimen Situationen ganz normal hat, mit der Zeit schwächer wird und eine Vertrauensbasis da ist, dann ist da irgendwann Platz für Gefühle. Ich mag es bspw. inzwischen, nackt vor ihr zu sein und bin nicht mehr gehemmt. Aber insgesamt spüre ich eben, dass das keine Entwicklung ist die Zukunft hat und ich erschrecke hinterher auch häufiger, warum mir dies und das gut getan oder gefallen hat, warum es mich nicht loslässt und ich am Ende dennoch einfach nur einsam bin...

Danke fürs Zuhören.

Viele liebe Grüße
Doro
 
crêpe-suzette
Benutzer139069  (32) Sehr bekannt hier
  • #2
Wie kommst du denn darauf, dass du in deinen letzten Beziehungen nur ausgenutzt wurdest? Und (ohne dass ich dir jetzt zu Nahte treten will, wenn du nicht antworten willst musst du das natürli) wieso wohnst du generell in einem Wohnheim? Ich habe vor 2 Jahren ein FSJ im Behindertenfahrdienst gemacht und wir hatten einen im Rollstuhl sitzenden Mann in deinem Alter, der in seiner eigenen Wohnung gelebt hat, welche eben (meistens von Freunden bearbeitet, da das Geld nicht da war) auf seine Behinderung abgestimmt war, den wir immer zur Arbeit gefahren haben, als sein Auto in der Werkstatt war.
Hast du außerhalb des Wohnheims soziale Kontakte? Stehst du generell auf Frauen oder ist diese Erfahrung jetzt auch neu für dich? Wie und wo hast du deinen Expartner kennengelernt?

Ich bin jemand, der daran, glaubt, dass jeder Mensch jemanden finden kann wenn er sich nur nicht (unnötig) auf bestimmte Umfelder konzentriert. Und bei dir klappt das bestimmt auch, hat es vorher ja auch schon, also kannst du ja salopp gesagt schon mal weder abstoßend oder unzumutbar sein :smile:
 
Sorceress Apprentice
Benutzer89539  Team-Alumni
  • #3
Hi Dorothea,

ich kenne deine Situation ungefähr: Über Jahre hinweg will sich beziehungsmäßig nichts ergeben, man findet irgendwie keinen Ausweg aus der Einsamkeit, und hängt sich dann an "Ersatz-Beziehungen", die aber immer einen Teil der Bedürfnisse unerfüllt lassen. Natürlich war meine Situation nicht so wie deine, und mit dem Handicap kommt noch mal eine erhebliche Hürde in deinem Fall dazu, aber ich glaube ich kann es mir zumindest in etwa vorstellen.

So wie es sich für mich anhört, ist das große Problem auch, dass du immer im gleichen Umfeld "fest steckst", einfach keine potenziellen Partner kennen lernst, nicht "voran geht". Verstehe ich das richtig? Vielleicht macht es Sinn, es mal auf anderen "Kanälen" zu versuchen... ich weiß nicht, wie selbstständig du bist, und wie aktiv und rege z.B. dein Sozialleben ist. Aber vielleicht könntest du mal schauen, neue Hobbies zu erschließen, neue Interessenfelder in denen du mehr Menschen kennen lernst? Natürlich heißt das nicht, dass du von jetzt auf gleich einen Partner findest, das sollte auch nicht das einzige Augenmerk sein, aber die grundsätzliche Gleichung lautet nun mal: Je mehr Menschen man kennen lernt, desto größer sind auch die Chancen, dass darunter ein passender Partner ist.
 
Spiralnudel
Benutzer83901  (39) Planet-Liebe-Team
Moderator
  • #4
Hi Doro,

wie sehen denn deine sozialen Kontakte außerhalb der WG aus? Wie sieht dein Alltag aus und was tust du, um ihn lebendiger zu gestalten?

Zum Thema Surrogatpartnerschaft fällt mir nur ein: Hast du schon konkret darüber nachgedacht oder dich über Angebote informiert? Ich lehne das nicht prinzipiell ab, bin aber dennoch der Meinung, dass der Aufbau einer "normalen" (auch sexuellen) Beziehung gesünder wäre.

Du machst auf mich einen reflektierten und insgesamt recht zufriedenen Eindruck. Dass du dich bisweilen einsam fühlst, kann ich verstehen.

Dennoch bin ich der Meinung, dass du versuchen solltest dir deine Betreuerin aus dem Kopf zu schlagen und stattdessen mehr auf "Angebote" in deinem Umfeld zu achten. Vielleicht triffst du dort einmal auf jemanden, der dir so richtig den Kopf verdreht?

Wie war denn deine letzte Beziehung? Woran ist sie gescheitert?
 
D
Benutzer143693  (48) Benutzer gesperrt
  • Themenstarter
  • #5
Hui, Danke für die schnellen und ganz schön reflektierten und niveauvollen Antworten! Ich habe meine letzten Beziehungen eher als oberflächlich erlebt. Ich hatte nie das Gefühl, als ganzer Mensch wahrgenommen zu werden, sondern eben nur als Frau, die es fürchterlich nötig haben müsste - so entpuppte sich das meistens. Dass jeder jemanden findet - in dieser Welt voller Singles (ganz ohne sichtbare Behinderungen), das ist für mich nicht real. Es ist schon eher so, dass mir meine Situation und meine Schüchternheit im Wege steht. Ich bin nicht super aktiv und wenn dann meistens doch für mich (ich photographiere und male gerne, bin gerne draußen). Ich weiß schon, dass mir das im Weg steht und dass ich aktiver werden muss, raus muss, unter Leute. Aber da ist natürlich auch Angst. Daheim bin ich geschützt. So empfinde ich das.

Surrogatpartnerschaft ist für mich kein Thema, da es zum Einen faktisch unbezahlbar ist und zum Anderen eben nur einen Teil des Ganzen ausmacht. Das ist es ja, was es auch jetzt so unbefriedigend macht für mich - dass die "Beziehung" in der ich ansatzweise Nähe erlebe, eine rein professionelle ist.

Und zum Thema Frauen und Männer...ich empfinde Frauen als einfühlsamer und umsichtiger, fühle mich aber schon eher von Männern angezogen. Wie gesagt, irgendwie komme ich mir gerade ein wenig verbogen und auf dem falschen Pfad vor...
 
Spiralnudel
Benutzer83901  (39) Planet-Liebe-Team
Moderator
  • #6
Auch wenn du schüchtern bist: Du könntest doch über die Fotografie mehr Kontakt zu anderen Menschen aufbauen, vor allem zu solchen, die vorrangig deine Persönlichkeit und dein Hobby wahrnehmen und nicht deinen Rollstuhl.

Ich hoffe, die Fragen sind in Ordnung: Wie lange bist du schon auf deinen Rollstuhl angewiesen und aus welchem Grund? Glaubst du, dass du bei anderen den Eindruck erweckst, dass du "es nötig" hast? Und wie, glaubst du, könnte dieser Eindruck zustandekommen?
 
H
Benutzer137374  (52) Benutzer gesperrt
  • #7

Ich habe vor vielen Jahren mal in einem Forum gelesen (das gibt es nicht mehr), welches speziell fuer Liebhaber behinderter Menschen gemacht war. Ich tat das nicht aus persoenlichem Interesse, sondern weil ich neugierig auf diesen in meinen Augen widerlichen Fetisch war (nicht weil man Behinderte nicht schaetzt, sondern weil man sie NUR DESWEGEN schaetzt). Ich war dann positiv ueberrascht, dass diese Menschen mit diesem Fetisch gar nicht ekelhaft sind. Ich dachte, dass sie sich an der Amputation oder der Schwaeche ergoetzen und wie Du beklagst, jemanden haben, den sie dominieren koennen, weil er froh sein kann, ueberhaupt einen Partner zu haben. In fast allen Faellen war aber genau das Gegenteil der Fall. Ihr Fetisch beruht auf der Freude zu sehen, wie ein behinderter Mensch sein Leben trotzdem meistert. Ueber sich hinaus waechst aufgrund der Behinderung. Stark ist. Ob das etwas waere, was Dir gefaellt, weiss ich nicht. Aber es gibt anscheinend nicht wenige Maenner, die so ticken (wenn ich Dich richtig verstanden haben, bist Du eigentlich nicht lesbisch oder bi). Google mal ein bisschen rum, dann findest Du garantiert jemanden, der auf Dich trotz und wegen Behinderung steht.
 
Sorceress Apprentice
Benutzer89539  Team-Alumni
  • #8
Mein Gedanke war ebenfalls: Versuch doch, deine Hobbies auch mal mit anderen Menschen zu teilen. Hast du dich schon mal informiert, ob es so etwas wie einen Fotoclub oder so in deiner Nähe gibt?

Natürlich können Menschen einen enttäuschen, grad mit deinen Vorerfahrungen ist die Angst verständlich. Aber wer nicht wagt, er nicht gewinnt. Grad bei der Partnersuche kann ich mir vorstellen, dass da teilweise eher oberflächliche Reflexe eine Rolle spielen. Darum finde ich auch nicht, dass du raus gehen solltest, um Partner kennen zu lernen, sondern um Menschen kennen zu lernen. Vielleicht bilden sich neue Freundschaften, vielleicht ergibt sich auf diese Weise auch eine Partnerschaft, die eine tiefere Grundlage hat. Vielleicht hilft es dir auch einfach, das Misstrauen und die Angst etwas abzubauen.

Davon abgesehen finden die meisten auch jene Menschen attraktiver, die ihr Leben aktiv gestalten, Spaß haben, gute Freunde haben - und für dich selbst wird das doch sicher auch ein Gewinn sein. :zwinker:
 
D
Benutzer143693  (48) Benutzer gesperrt
  • Themenstarter
  • #9
Dankeschön für die vielen guten Gedanken! In der Theorie wird mir das auch sehr klar, aber der Alltag sieht oft anders aus. Als Mensch mit Einschränkungen nimmt man die Welt aus einem anderen Blickwinkel wahr. Man erfährt wie ich finde, ausreichend Hilfe, bekommt viele therapeutische Angebote und hat demnach immer mit einer ähnlichen Art von Menschen zu tun.
Noch ein Satz dazu ein Fetisch-Objekt zu sein: Egal aus welchem Antrieb es geschieht, es wäre nicht mein Ding, eine solche Projektionsfläche zu sein. Dabei käme über kurz oder lang das Menschliche zu kurz...
 
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