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(psychisch kranker) Angehöriger suizidaler Person - Hilfe?

BetterThanTomorrow
Benutzer137839  (29) Verbringt hier viel Zeit
  • #1
Hallo alle zusammen,

es ist nun so weit, ich bin gänzlich überfordert und würde gerne ein paar Meinungen einholen.
Mein bester Freund ist seit Jahren drogenabhängig (Alkohol, Medikamente (Benzodiazepine), sowie diverse andere Drogen LSD, Weed). Aus seinem Freundeskreis bin ich die einzige, die das Ganze noch mitmacht - epileptische Anfälle durch Alkoholkonsum ausgelöst, ständige Krankenhausbesuche, nachts im Park suchen und nach Hause tragen etc. etc. ich rede und rede, dass ein Entzug sinnvoll ist, würde ihm auch jede Unterstützung zukommen lassen, die mir möglich ist. Es tut mir so weh, zu sehen, wie es konstant bergab mit ihm geht, wenn ich schon gar nicht mehr mit ihm reden kann, weil nichts zu ihm durch kommt.
Soviel in Kurzform zur Vorgeschichte ..

Nun, heute hat sich sein Vater umgebracht. Und ab diesem Punkt setzt bei mir die vollkommene Hilflosigkeit ein. Was tut man für Angehörige? Wie verhält man sich? Vorbeischauen und zuhören + umarmen, obwohl die Person nicht recht verlauten lässt, ob sie das möchte? Haushalt erledigen bzw. Hilfeleistungen diesbezüglich, kochen, damit er etwas Vernünfiges zu sich nimmt? Abgesehen von derlei praktischer Hilfen - wie kann ich ihm psychisch beistehen?

Die Freundschaft hat in letzter Zeit sehr an meinen Kräften gezogen, ich möchte aber dennoch für ihn da sein, gerade in so einer schwierigen Situation.

Der Text wird sehr unstruktiert sein, ich schreibe mir gerade nur schnell irgendwelche Gedankenfetzen von der Seele.

Lieben Dank für alle Antworten!
 
familienschreck4ever
Benutzer128143  (29) Verbringt hier viel Zeit
  • #2
Die Frage ist ob man überhaupt noch an deinen Freund rankommt... Alkohol- und Drogenabusus sind schon schwerwiegend genug und wie du das beschreibst auch schon in einem Stadium angelangt in dem dein Freund wirklich dringend professionelle Hilfe benötigt.
Ich würde mich ankündigen und vorbeischauen, mehr als dich anbieten kannst du nicht. Wenn er dich reinlässt ist das schon ein Zeichen dass er eigentlich nicht ganz alleine sein will und du kannst ihm helfen, wenn er aber blockt kannst du ihm zu verstehen geben dass du gerne für ihn da bsit wenn er bereit ist oder Hilfe braucht.
Ich glaube nur nicht dass du alleine etwas richten wirst... aber ersteinmal etwas Trauerhilfe leisten indem man ihm den Alltag erleichtert und ihm das Gefühl gibt er ist nicht Alleine klingt schon gut.
Toll dass es noch Freunde gibt wie dich :smile:
 
Eswareinmal
Benutzer123446  (41) Beiträge füllen Bücher
  • #3
Liebe BetterThanTomorrow,

ich würde da jetzt zwei Seiten beleuchten.

Die eine Seite ist die eines Suchtkranken.
Wie du war ich lange Jahre die Freundin einer Drogenabhängigen. Ich war da. Immer. Hab alle Auf und Abs mitgemacht und letzten Endes, auch wenn es scheiße klingt, wurde es mir nie gedankt. Ich wurde irgendwann, als ich nicht mehr mein Leben nach ihr ausgerichtet habe, mit Füßen getreten... und diese Freundschaft hängt mir heute noch nach.
Aber was ich daraus gelernt habe, ist auch - dass man nicht helfen kann. Ich habe noch keinen Süchtigen kennen gelernt, dem man mit "immer da sein" geholfen hätte, vor allem, wenn er tief drin steckt. Unterstützen, wenn jemand zur Therapie geht, einen Entzug macht, das ja - aber sonst nicht. Ein letztes Hilfsangebot machen, und dann loslassen lernen, vielleicht mit einer Selbsthilfegruppe, irgendwie.
Ich kann dir nur raten, dich abzugrenzen. Es ist an sich ein wirklich schöner Charakterzug, dass du für deinen Freund da bist, aber letzten Endes hilfst du ihm damit nicht und opferst dich nur auf. Leider.


Jetzt aber zur aktuellen Situation, die natürlich nochmal anders ist und etwas anderes erfordert.
Ich würde an deiner Stelle vorbeigehen, praktische Hilfe leisten vor allem. Meiner Erfahrung nach wird das dringend benötigt, weil man selbst so paralysiert ist. Also Wäsche machen, kochen. Währenddessen ergeben sich auch manchmal Gespräche, aber Menschen gehen nun mal sehr unterschiedlich mit Todesfällen um. Manche wollen reden, manche wollen ihre Ruhe haben. Für mich steht die praktische Hilfe im Vordergrund, auch was die rechtliche Seite ggf. betrifft.

Aber bitte achte auf jeden Fall darauf, dass du dich nicht übernimmst und kaputt machst...
 
familienschreck4ever
Benutzer128143  (29) Verbringt hier viel Zeit
  • #4
Ich stimme vollkommen in dem Punkt zu- steig aus bevor du mit dem sinkenden Boot untergehst.
Hab eine ähnliche Freundschaft hinter mir und durfte mir immer anhören ich wäre zu wenig da... wenn die Probleme anderer anfangen das eigene Leben einzunehmen und einen einzukreisen ist der Punkt gekommen sich zu verabschieden.
Hilfe anbieten ist vorbildlich und zeugt von deinem Charakter, aber sich kaputtmachen hat keinen Sinn.
 
BetterThanTomorrow
Benutzer137839  (29) Verbringt hier viel Zeit
  • Themenstarter
  • #5
Eswareinmal Eswareinmal : ich kann da vollkommen zustimmen, dass die ewige Hilfsbereitschaft in seinen (alltäglichen) Notsituationen keinesfalls dazu beiträgt, dass es ihm besser geht. Es gibt jedoch noch einen anderen Grund, der mich bei ihm hält: Ich möchte um jeden Preis verhindern, dass er das Gefühl hat, von allen Menschen verlassen zu werden, wenn es ihm schlecht geht. Dieses Gefühl, niemanden zu haben, der mit einem redet, der da ist, wenn es nicht mehr geht, das möchte ich niemandem antun.

Ich habe in erster Linie angesichts der aktuellen Situation mit seinem Vater wie in meinem Eingangspost zu sehen ist, tatsächlich auch als erstes an praktische Hilfen gedacht. Wenn er nur in seiner Wohnung vor sich hin vegetiert, möchte ich den nötigsten Haushalt regeln und vor allem dafür sorgen, dass er das Essen nicht vergisst.

Aus dem Boot aussteigen - ja, den Tipp habe ich in den vergangenen Monaten häufiger gehört.. es ist für mich aber schwerer, als gedacht. Er weiß, wo ich wohne, und er steht sehr häufig betrunken vor meiner Tür, und dann habe ich die Wahl, ihn vors Auto laufen zu lassen oder ihn "an die Hand zu nehmen" und heim zu führen (er vergisst oftmals, wie er zu seiner Wohnung zurück findet.. und betrinkt sich hauptsächlich auf dem Spielplatz in meiner Nähe). Das sind Situationen, wenn etwas passiert, ich würde mir das niemals verzeihen.

Danke euch beiden. Eswareinmal Eswareinmal und familienschreck4ever familienschreck4ever
 
Eswareinmal
Benutzer123446  (41) Beiträge füllen Bücher
  • #6
Es gibt jedoch noch einen anderen Grund, der mich bei ihm hält: Ich möchte um jeden Preis verhindern, dass er das Gefühl hat, von allen Menschen verlassen zu werden, wenn es ihm schlecht geht. Dieses Gefühl, niemanden zu haben, der mit einem redet, der da ist, wenn es nicht mehr geht, das möchte ich niemandem antun.

Das verstehe ich sehr gut, und es ehrt dich auch.

Es sollte IMHO auch nicht so sein, dass du ihn einfach ab Punkt X ignorierst oder Ähnliches, sondern eher, dass du ihm ganz klar sagst, was du als notwendig erachtest für ihn, dir für ihn wünschst, und weshalb du dich jetzt zurückziehst.
Du könntest für ihn da sein, wenn er sich Hilfe suchen würde, aber vielleicht muss er auch mal das Gefühl bekommen, dass er von allen Menschen verlassen ist. Vielleicht wird er sich erst an diesem Punkt aufraffen können, etwas zu tun.

Ich glaube nicht, dass du so handeln wirst. Ich hätte es damals auch nicht gekonnt. Aber heute würde ich mir wünschen, ich hätte es gemacht, denn irgendwann war es bei mir auch so, wie familienschreck beschreibt: Es hieß immer, ich sei zu wenig da. Ich musste Tag und Nacht abrufbar sein, und immer noch: Es war zu wenig. Letztendlich war ich an der Drogensucht Schuld, weil... ja, warum? Keine Ahnung. Weil ich eben die Letzte war, die geblieben ist.
Es ehrt dich, dass du ihn nachts nach Hause bringst und all das, aber ich muss dir einfach empfehlen, da die Reißleine zu ziehen. Nimm ihn mit zur Drogenberatung, besprich dich vorher mit der Beratungsfachkraft. Das sind nur die Dinge, die ich dir raten kann, weil ich, leider, leider, keinen einzigen Fall kenne, in dem (freundschaftliche) Liebe und Da-Sein bei einer Suchterkrankung eine Besserung bewirkt hat.

Und wenn du dich nicht von der Freundschaft loseisen kannst, dann such dir vielleicht selbst wenigstens Hilfe, Austausch oder so.
 
BetterThanTomorrow
Benutzer137839  (29) Verbringt hier viel Zeit
  • Themenstarter
  • #7
Ich habe ebenfalls schon überlegt, dass er nicht die Notwendigkeit sieht, etwas an seinem Zustand zu ändern, insofern ich immer da bin und bleibe. Eben ganz egal, wie schlimm sein Zustand und sein Verhalten ist. Wenn absolut niemand bleibt, erst dann mag so manch einer auf die Idee kommen, dass eine Änderung der Lebensumstände und des Verhaltens angemessen wäre.
Und dann steht er wieder vor meiner Tür und ich kann nicht anders, als ihm in dieser akuten Situation zu helfen.

Das, was du schreibst, kenne ich auch sehr gut. Du warst für deine Freundin da, jederzeit, Bereitschaftsdienst. Anfangs war sie vermutlich noch begeistert davon, wie viel du gibst, doch das Geben wird irgendwann zur Selbstverständlichkeit. Es wird nicht mehr als etwas Besonderes wahrgenommen. Stattdessen wird nur noch die 'negative' Veränderung, das Abschwächen deiner 'rund um die Uhr'-Bereitschaft, bemerkt.
Ich habe oft den Eindruck, keine gute Freundin zu sein, nicht genug helfen zu können, nicht die richtigen Worte zu finden, nicht aus Tränen ein Lächeln zu zaubern. Ist es jemals gut genug, was man tut?
 
banane0815
Benutzer44981  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #8
Erstmal zur eigentlichen Frage:
Menschen trauern unterschiedlich. Manche wollen allein sein, manche wollen abgelenkt werden und manche wollen mit jemandem darüber reden, bzw. einfach jemanden haben, der zuhört und sie in den Arm nimmt.
Also: Frage ihn, ob du etwas für ihn tun kannst. Biete deine Hilfe an, aber dränge sie ihm nicht auf.

Als ich mal um eine sehr nahestehende Person getrauert habe, hat mir eine Freundin einfach nur angeboten, ich könne mich jederzeit (auch mitten in der Nacht) bei ihr melden, wenn ich irgendwie Hilfe brauche. Ich habe dieses Angebot zwar nie wahrgenommen, aber es tat mir unheimlich gut, zu wissen, dass ich es eine Person gibt, die an mich denkt und die für mich erreichbar ist.
Ähnliche Angebote habe ich ebenfalls schon gegenüber guten Freunden ausgesprochen und werde es, sofern nötig, wieder genau so tun.

es ist nun so weit, ich bin gänzlich überfordert und würde gerne ein paar Meinungen einholen.
Mein bester Freund ist seit Jahren drogenabhängig (Alkohol, Medikamente (Benzodiazepine), sowie diverse andere Drogen LSD, Weed). Aus seinem Freundeskreis bin ich die einzige, die das Ganze noch mitmacht - epileptische Anfälle durch Alkoholkonsum ausgelöst, ständige Krankenhausbesuche, nachts im Park suchen und nach Hause tragen etc. etc. ich rede und rede, dass ein Entzug sinnvoll ist, würde ihm auch jede Unterstützung zukommen lassen, die mir möglich ist. Es tut mir so weh, zu sehen, wie es konstant bergab mit ihm geht, wenn ich schon gar nicht mehr mit ihm reden kann, weil nichts zu ihm durch kommt.
Soviel in Kurzform zur Vorgeschichte ..
Deine Hilfsbereitschaft in allen Ehren, aber solange er nicht einsieht, dass er ein Problem hat und sich helfen lassen will, kannst du genau so gut mit einer Hauswand reden.
Ein Bekannter von mir, der massive Drogenprobleme hatte, sagte mir mal (sinngemäß) folgendes: "Manche Drogenabhängige müssen erst mit dem Kopf in der Pissrinne des Bahnhofsklos aufwachen, um zu kapieren, dass das Drogen scheiße sind und andere kapieren es nie."
(Nachdem er mehrmals rückfällig wurde und mehrere Jahre im Gefängnis verbracht hat, habe ich heute keinen Kontakt mehr mit ihm. Ich habe aber vor kurzem von jemandem gehört, dass er ihn irgendwo gesehen hat und er wohl ziemlich normal und keineswegs fertig oder zugedröhnt gewirkt hat. Ich würde es ihm jedenfalls von ganzem Herzen gönnen, wenn er seine Sucht tatsächlich inzwischen im Griff hätte...)

Möglicherweise ist deine gut gemeinte Hilfe für ihn auch überhaupt nicht gut, da du immer wieder seinen harten Aufprall abfederst, obwohl er mal so richtig übel auf die Fresse fallen müsste, um einzusehen, dass er von den Drogen weg kommen muss.
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Eswareinmal Eswareinmal : ich kann da vollkommen zustimmen, dass die ewige Hilfsbereitschaft in seinen (alltäglichen) Notsituationen keinesfalls dazu beiträgt, dass es ihm besser geht. Es gibt jedoch noch einen anderen Grund, der mich bei ihm hält: Ich möchte um jeden Preis verhindern, dass er das Gefühl hat, von allen Menschen verlassen zu werden, wenn es ihm schlecht geht. Dieses Gefühl, niemanden zu haben, der mit einem redet, der da ist, wenn es nicht mehr geht, das möchte ich niemandem antun.
Auch wenn ich deine Hilfsbereitschaft wirklich toll finde, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass auch dieses Gefühl der Einsamkeit dazu führen könnte, dass er tatsächlich einsieht, dass er ein Problem hat und Hilfe braucht.
[doublepost=1463956835][/doublepost]
Ich habe oft den Eindruck, keine gute Freundin zu sein, nicht genug helfen zu können, nicht die richtigen Worte zu finden, nicht aus Tränen ein Lächeln zu zaubern. Ist es jemals gut genug, was man tut?
Du kannst keine Wunder vollbringen, sondern ihn allerhöchstens dabei unterstützen, einen bestimmten Weg zu gehen, sofern er denn überhaupt selbst in die entsprechende Richtung gehen möchte und dazu auch selbst etwas unternimmt.
 
BetterThanTomorrow
Benutzer137839  (29) Verbringt hier viel Zeit
  • Themenstarter
  • #9
'Harten Aufprall abfedern', das trifft es ziemlich gut, so ähnlich habe ich es mir auch schon gedacht. Dass ich durch meine Akuthilfe bloß dafür sorge, dass er erst später ganz unten landet. Ich kann es hinauszögern, aber nicht verhindern.

Ich schreibe gerade mit ihm. Sein Vater war ebenfalls ein Süchtiger/Abhängiger. Er scheint jetzt eher wahrzunehmen, wozu dieses Konsumverhalten führt. Wir diskutieren darüber, dass wir gemeinsam zur Aufnahme in einer Entzugsklinik gehen.
 
familienschreck4ever
Benutzer128143  (29) Verbringt hier viel Zeit
  • #10
Sehr gut, wenn die eine Tür zu geht öffnet sich eine andere. Ich bin positiv überrascht dass der Tod seines Vaters ihm eher die Augen öffnet als ihn tiefer in die Krise zu stürzen. Das zeigt schonmal dass Hopfen und Malz nicht verloren sind... Abwarten und unter die Arme greifen. Solange es dir damit noch relativ gut geht.
 
BetterThanTomorrow
Benutzer137839  (29) Verbringt hier viel Zeit
  • Themenstarter
  • #11
Er ist ziemlich am Boden, wie es nicht anders zu erwarten ist.
Ich habe ihn vorhin auf die Entzugsstation begleitet, er ist sofort aufgenommen worden - Geschlossene. Auf der offenen Station würde er genauso weiter trinken, bis er raus geworfen wird. Das hatten wir schon dutzende Male, dieses Spiel.
Wir haben ausgemacht, dass ich ihn so oft ich kann und er mag, besuche. Er weiß, dass ich ihn vollkommen unterstützen werde. Durch die Besuchszeiten sind wir zwar ein wenig eingeschränkt, aber ich hoffe ja, dass er dort gut betreut wird. (Hab ja schon so einiges an psychiatrischen Einrichtungen gesehen, was ich niemandem zumuten möchte ..)
 
schuichi
Benutzer135918  Sehr bekannt hier
  • #12
Der Mann ist Sucht krank und zwar sehr schwer. Ich würde ihn einweisen lassen. So wie du das Beschreibst kann er nun noch mehr abstürzen und diese Drogen die er nimmt verschlechtern die Psyche noch weiter. Abseits des Drogenkonsum wird dir jeder Arzt sofort bei seiner Krankengeschichte eine Einweisung schreiben. Nichts desto trotz muss er Psychisch "aus eigener Kraft" von den Drogen weg.

Ich würde jetzt echt dran gehen und mir professionelle Hilfe für ihn hohlen. Damit hilfst du ihm am Besten
 
Damian
Benutzer6428  Doctor How
  • #13
Ich hab mal ein paar Zitate von dir zusammengetragen und möchte sie kommentieren. Daraus wird sich am Ende auch meine Einstellung ergeben und sie wird begründet:

Eswareinmal Eswareinmal : ich kann da vollkommen zustimmen, dass die ewige Hilfsbereitschaft in seinen (alltäglichen) Notsituationen keinesfalls dazu beiträgt, dass es ihm besser geht. Es gibt jedoch noch einen anderen Grund, der mich bei ihm hält: Ich möchte um jeden Preis verhindern, dass er das Gefühl hat, von allen Menschen verlassen zu werden, wenn es ihm schlecht geht. Dieses Gefühl, niemanden zu haben, der mit einem redet, der da ist, wenn es nicht mehr geht, das möchte ich niemandem antun.
Das klingt oberflächlich betrachtet gut, wirft bei mir aber 3 Fragen auf:
- Wieso machst du etwas, von dem du weißt, dass es ihm nicht gut tut?
- Wieso glaubst du, dass das Gefühl von allen verlassen worden zu sein, das schlimmste ist, was ihm passieren kann?
- Wieso glaubst du, dass DU IHM das antust? Er tut es sich doch selbst an...du kannst daran aber nichts ändern...du kannst dir nur selbst vormachen, dass du das ändern kannst...

Aus dem Boot aussteigen - ja, den Tipp habe ich in den vergangenen Monaten häufiger gehört.. es ist für mich aber schwerer, als gedacht. Er weiß, wo ich wohne, und er steht sehr häufig betrunken vor meiner Tür, und dann habe ich die Wahl, ihn vors Auto laufen zu lassen oder ihn "an die Hand zu nehmen" und heim zu führen (er vergisst oftmals, wie er zu seiner Wohnung zurück findet.. und betrinkt sich hauptsächlich auf dem Spielplatz in meiner Nähe). Das sind Situationen, wenn etwas passiert, ich würde mir das niemals verzeihen.
Das klingt für mich nach einem sehr sehr sehr egoistischen Menschen. Findest du nicht auch? Jemand der absichtlich und offenen Auges das Leben eines anderen permanent auf Trab hält. Jemand der sich nicht um die Gefühle und Gedanken des anderen kümmert, sondern immer wieder ankommt, wenn es ihm schlecht geht.

Ich will damit nicht sagen, dass er durch und durch schlecht ist. Er ist aber auch nicht auf dem IQ Level einer Zimmerpflanze. Wenn er wollte, könnte er durchaus GENAU sehen, was er dir da antut. Eigentlich weiß er das auch bestimmt...er guckt halt weg..nimmt noch n Schluck...schmeisst noch ne Tablette...dann ist alles gar nich tmehr so schlimm. Dann kann er wieder vor deiner Tür stehen...

Eben ganz egal, wie schlimm sein Zustand und sein Verhalten ist. Wenn absolut niemand bleibt, erst dann mag so manch einer auf die Idee kommen, dass eine Änderung der Lebensumstände und des Verhaltens angemessen wäre.
Und dann steht er wieder vor meiner Tür und ich kann nicht anders, als ihm in dieser akuten Situation zu helfen.
Also weißt du, was besser für ihn wäre...du weißt, dass du Grenzen ziehen müsstest. Das geht sogar OHNE, dass du ihn vollends aus deinem Leben streichst..das kann nur er selbst machen.
Warum genau tust du es dann nicht? Was sind deine Beweggründe?

Das, was du schreibst, kenne ich auch sehr gut. Du warst für deine Freundin da, jederzeit, Bereitschaftsdienst. Anfangs war sie vermutlich noch begeistert davon, wie viel du gibst, doch das Geben wird irgendwann zur Selbstverständlichkeit. Es wird nicht mehr als etwas Besonderes wahrgenommen. Stattdessen wird nur noch die 'negative' Veränderung, das Abschwächen deiner 'rund um die Uhr'-Bereitschaft, bemerkt.
Ich habe oft den Eindruck, keine gute Freundin zu sein, nicht genug helfen zu können, nicht die richtigen Worte zu finden, nicht aus Tränen ein Lächeln zu zaubern. Ist es jemals gut genug, was man tut?
Hast du denn eine Ahnung woher das kommt? Warum ist es deine Pflicht für jemanden da zu sein, den du Zeitweise wie ein Hündchen beschreibst, hinter dem man die Häufchen wegräumen und den man zum Tierarzt schreiflen muss?
Fällt dir auf, dass das nicht klingt wie eine Freundschaft? Nicht gleichberechtigt? Nicht gebend und nehmend? Du redest, als sei er ein kleines Kind oder eben..ein Hündchen...


Ich schreibe gerade mit ihm. Sein Vater war ebenfalls ein Süchtiger/Abhängiger. Er scheint jetzt eher wahrzunehmen, wozu dieses Konsumverhalten führt. Wir diskutieren darüber, dass wir gemeinsam zur Aufnahme in einer Entzugsklinik gehen.
Das klingt an sich gut.
Ich will jetzt nicht zu negativ an die Sache herangehen. Mein Rat ist: Wenn er diese Therapie abbricht..oder seine Chanen vertut. Wenn er alles wieder weg schmeisst und wieder dieses "2 Schritte vor und 3 zurück-Spiel" spielt, dann solltest du ernsthaft gehen.

Fällt dir auf, worauf meine Fragen abziehlen?
Sie ziehlen auf dich ab.
Ist so erstmal kein Wunder, weil du ja diejenige bist, die mit einem Problem in dieses Forum gekommen bist. Bisher sind deine Fragen und Erzählungen aber eher so formuliert, als wenn du weiterhin versuchen möchtest, ihm zu helfen. Du solltest aber erstmal mit dir selbst in Reine kommen, denn du hast mittlerweile auch ein großes Problem und niemanden, der die darmit hilft.
Mach dir mal ein paar Gedanken zu meinen Fragen...du musst sie hier auch gar nicht beantworten, denn die Antworten sollen dir helfen und nicht mir. :zwinker:
 
banane0815
Benutzer44981  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #14
Ich schreibe gerade mit ihm. Sein Vater war ebenfalls ein Süchtiger/Abhängiger. Er scheint jetzt eher wahrzunehmen, wozu dieses Konsumverhalten führt. Wir diskutieren darüber, dass wir gemeinsam zur Aufnahme in einer Entzugsklinik gehen.
Wenn sein Vater ebenfalls Suchtprobleme hatte, könnte es durchaus sein, dass ihn sein Tod wachrüttelt.
Es wäre auf jeden Fall schön, wenn er seine Trauer zu einem Sinneswandel würde und er professionelle Hilfe annehmen würde, um von den Drogen weg zu kommen.

Mein Rat: Unterstütze ihn dabei! - Aber federe nicht wieder seinen Aufprall auf dem harten Boden der Tatsachen ab, wenn er von diesem Weg abkommen und mal wieder abstürzen sollte.
 
BetterThanTomorrow
Benutzer137839  (29) Verbringt hier viel Zeit
  • Themenstarter
  • #15
Damian Damian
Ich kann hier schon auf deine Fragen eingehen.
Die Erkenntnis, dass meine Hilfe sein Konsumverhalten nicht verbessert, ist mir natürlich nicht sofort gekommen. Sie unterliegt monatelangen Erfahrungswerten, erst zuletzt ist mir wirlich bewusst geworden, dass es nicht bergauf gehen wird.
"Wenn es ihm nicht gut tut", das ist vielleicht falsch ausgedrückt. Es heilt sein Suchtverhalten nicht, ich bin eher das Kissen, auf dem er landet, anstatt auf dem harten Boden.

Mein, nenne ich es zwanghaftes Bedürfnis, ihm zur Seite zu stehen, beruht vermutlich sowohl auf seiner, als auch auf meiner Vergangenheit. Ich habe selbst die Erfahrung machen dürfen, dass ich in einer schlechten Lebensphase keinerlei Unterstützung fand, niemanden zum Reden hatte.
Aus seiner Vergangenheit weiß ich, dass er oft ganz alleine war, ohne einen einzigen Freund. Und er hat mir mehrmals mitgeteilt, wie schwer und emotional verletzend diese Phasen waren, in denen er wusste, dass er nirgends hin kann, keinen Freund zum Reden hat. Wenn er mir sagt, dass es ihm schon hilft, zu wissen, dass ich einfach da bin, dann fällt es mir sehr schwer, ihm das zu verweigern.
Auf theoretischer Basis ist das immer ganz einfach, zu entscheiden, dass man sich möglichst zurück halten sollte, aber viele handeln wohl anders, sobald sie tatsächlich in eine solche Angelegenheit verstrickt sind.

Zumal ich ihn nicht als Belastung ansehe, auch nicht als 'kleines Kind' oder 'Hündchen'. Er ist für mich ein Mensch, der sehr viele schlimme Dinge erlebt hat und der nun scheinbar keinen Ausweg sieht, diesen Erinnerungen zu entkommen, als sich den Geisteszustand zu benebeln.Und in diesem veränderten, hervorgerufenen Zustand ist er nicht mehr in der Lage, gefahrenlos alleine zurecht zu kommen.
Gleichberechtigte Freundschaft? So denke ich gar nicht. Ich gebe ja nicht, um etwas zurück zu bekommen, oder nur dann, wenn ich weiß, dass es auch Gegenleistungen geben wird. Er bedeutet mir sehr viel, und wenn er mir sagt, er braucht die Gewissheit, dass jemand da ist, dann bin ich leider diejenige, die an diesem Punkt ansetzen und zumindest für den Moment helfen möchte. Mag das krankhaft sein, ich weiß es nicht.

Zumindest ist er jetzt in professionellen Händen und ich werde alles daran setzen, dass er sich dazu entschließt, diese Therapie fort zu führen (oder sich anderweitig umzusehen, ob er eine andere Klinik bevorzugt o.ä.).
 
Zuletzt bearbeitet:
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Damian
Benutzer6428  Doctor How
  • #16
Du kannst aber seinen Entschluss nicht beeinflussen. Er muss nichts mehr wollen, als aus dem Mist rauszukommen. Sonst wird sich auch nichts ändern und er wird nicht sehr alt.

Freundschaft und Beziehung haben eines gemeinsam: Wenn nicht beide geben, dann funktionieren sie nicht. Das ist kein Tauschgeschäft...das hast du falsch verstanden. Dennoch wird eine Beziehung nicht gesund halten, wenn sich einer gehen lässt und der andere nur noch am rudern hat.
Zumindest der Teil mit den positiven Gefühlen stirbt. Vielleicht hält eine emotionale Abhängigkeit die Menschen noch zusammen...aber eben keine Freundschafts- oder Liebesgefühle.

Und ich habe nicht behauptet, dass du ihn zwangsläufig als Hündchen siehst...du redest nur so über ihn. Fällt dir das nicht auf? Du redest nicht von ihm, wie man von einem Menschen redet, den man als gleichwertig ansieht.

Verstanden habe ich, warum du ihm trotz allem helfen möchtest. Was du verstehen und verinnerlichen solltest ist, dass man Helfen kann....aber niemals so viel wie man gerne wollte. Du solltest dir gut überlegen, was hilft und was nicht und was dir selbst am Ende mehr schadet, als dass es irgendwem hilft. Nicht mehr und nicht weniger. Helfen kann man nur jemandem, der ernsthaft daran interessiert ist, etwas zu verbessern.
 
BetterThanTomorrow
Benutzer137839  (29) Verbringt hier viel Zeit
  • Themenstarter
  • #17
Ok, das verstehe ich jetzt. Dass irgendwann vielleicht nur noch das Mitgefühl, und die gefühlte Verpflichtung bleiben. Vielleicht auch, weil man diesen Weg schon so lange geht, dass es zur Gewohnheit wird?

Ich wollte niemals abschätzig über ihn reden, aber ja, es fällt mir sehr schwer, ihn in seinen 'Suff-Phasen' ernst zu nehmen. Ich muss ihn von der Straße zerren, wenn Autos vorbei kommen, ich muss ihm den Weg zeigen. All das erinnert mich mehr an meine kleinen Geschwister. Es kommt mir albern vor, manchmal frage ich mich, ob er das nur vorspielt, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber nicht, dass ich mich für ihn schämen würde, das ist mir nicht wichtig.
In seinen nüchternen Momenten merkt jeder ihm an, dass er hoch intelligent ist, aber er nutzt sein Potenzial nicht - hat nicht den Mut/die Kraft dazu. Deshalb finde ich es gerade so schade, dass ich ihm in bestimmten Situationen Hilfeleistungen geben muss, damit er unbeschadet heim kommt (er ist z.B. bereits zwei mal angefahren und drei mal verprügelt worden, als er im besoffenen Zustand gepöbelt hat - hat diverse Knochenbrüche und Gesichtsblessuren durch).
 
Zuletzt bearbeitet:
Damian
Benutzer6428  Doctor How
  • #18
Es gibt eine sehr einfache Wahrheit über "Potenzial", wenn man es in einem Menschlichen Zusammenhang nutzt: "Potenzial heißt, dass es nicht da ist." Das hat mal eine sehr gute Freundin von mir gesagt und ich bin noch immer sehr begeistert von diesem Satz. Man sollte niemanden so behandeln wie man selbst glaubt, dass er werden könnte. Dann behandelt man jemanden so, als wäre er nicht er selbst.

Das alles ist aber in meinen Augen nicht so wichtig. Prio 1 ist es hier in diesem Thread, dass deine Fragen beantwortet werden und dein Dilemma gelöst wird. Dieses Dilemma ist in meinen Augen die fast schon philosphische Frage danach, wann du aufhören solltest dich für ihn einszusetzen. Es gibt dafür natürlich kein festes Regelwerk. Es gibt aber ein paar Anhaltspunkte die helfen.
Parameter sind dabei:
- die eigene Kraft
- der Wille desjenigen, dem man helfen will
- ein sichtbarer Fortschritt (muss nicht schnell, aber vorhanden sein)
- Sinnhaftigkeit der eigenen Handlungen

Hat man z.B. keine Kraft mehr, hilft man niemandem, egal was man tun will. Will derjenige mit den Problemen nicht wirklich aus diesen raus kommen (dabei ist egal wie oft er das behauptet), dann hat es keinen Sinn etwas zu tun. ein Indikator ist auch der Fortschritt...meistens ist der vorhanden, wenn jemand wirklich an etwas arbeitet. usw.

Am Ende musst du es selbst wissen. Du solltest nur nicht aus den völlig falschen Gründen etwas tun. Du schreibst beispielsweise, dass du für ihn da sein willst, weil du weißt wie es sich anfühlt wenn man ganz alleine ist. Da er aber keinen Fortschritt oder Willen gezeigt hat an dieser Pattsituation etwas zu ändern, stelle ich die Sinnhaftigkeit deiner Handlung in Frage. Du machst in dem Fall nicht viel mehr, als eine seiner Drogen. Für einen kurzen moment hat er einen Schuss von positiven Gefühlen. Er kann die Verantwortung für sein Leben abgehen, um dann genau so weiterzumachen wie bisher.

Angenommen es klappt nicht mit der Therapie und er landet in 2 Monaten wieder genau da, wo er vorher war..wie lange willst du ihn von der Sraße auflesen? Bis er tot ist? Willst du zusehen?

Ich meine die Fragen tatsächlich nicht so provokant wie sie klingen. Ich würde sie dir, wenn wir persönlich reden könnten, sehr ruhig stellen, denn es sind legitime und wichtige Fragen, die du dir selbst stellen solltest.

Glaub bitte nicht, dass ich grundsätzlich dagegen bin, jemandem zu helfen, dem es sehr schlecht geht. Schau in mein Profil, wie lange ich hier schon dabei bin...du bist zur Grundschule gegangen, als ich hier angefangen habe. Ich habe in der Zwishenzeit aber gelernt, dass man nur begrenzt Kraft hat und diese sollte man nicht einfach so im Raum verpuffen lassen, sondern so einsetzen, dass man auch wirklich jemandem Hilft. Sonst könnte ich sie auch aufwenden um Papierbote zu falten...
 
BetterThanTomorrow
Benutzer137839  (29) Verbringt hier viel Zeit
  • Themenstarter
  • #19
Das Ganze entwickelt sich komplett anders, als ich jemals für möglich gehalten hätte.
Das Gericht hat entschieden, dass er noch drei Wochen in der Geschlossenen bleiben soll und anschließend die Möglichkeit bekommt, sich zwischen zehn verschiedenen Kliniken innerhalb Deutschlands zu entscheiden, in denen er 6-18 Monate lang professionell therapiert wird. Er hat auf der geschlossenen Station jemanden kennengelernt, mit dem er das gemeinsam durchziehen möchte. Und er hat auf einmal den Willen dazu, den er seit Jahren niemals hatte.
Ich bin so froh und hoffe, dass er es durchziehen wird, auch wenn ich unglaublich traurig bin, meinen besten Freund nicht mehr in meiner Nähe zu haben.

Danke noch einmal für eure Meinungen und Ratschläge!
 
Damian
Benutzer6428  Doctor How
  • #20
Ich bin so froh und hoffe, dass er es durchziehen wird, auch wenn ich unglaublich traurig bin, meinen besten Freund nicht mehr in meiner Nähe zu haben.
Ich drücke da jedenfalls die Daumen. Es ist zumindest eine Chance...
 
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