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Tandem mit Flüchtlingen: Nützliche Tips?

Elvan
Benutzer158733  Verbringt hier viel Zeit
  • #1
Hey ihr Lieben,

demnächst beteilige ich mich bei einem Tandemprogramm für Flüchtlinge, das ihnen helfen soll, sich in der neuen Stadt einzuleben, Deutsch zu lernen und so weiter.
Ich mach' sowas zum ersten Mal und überlege gerade, wie ich sensibel und respektvoll mit einem Menschen umgehe, der wahscheinlich Schlimmes erlebt hat, ohne ihn wie ein rohes Ei zu behandeln.

Daher meine Frage: Habt ihr schonmal Erfahrungen damit gesammelt und/oder ein paar Ratschläge für mich? :smile:

Gerade beschäftigt mich vor allem, welche Themen ich ihm oder ihr gegenüber ansprechen darf.
Ist es okay, nach dem Alltag in der Heimat zu fragen - beispielsweise nach Lieblingsgerichten -, oder führt das den Verlust des alten Lebens noch deutlicher vor Augen?

Danke schon mal für's Durchlesen!
:winkwink:
 
G
Benutzer Gast
  • #2
Hey :zwinker:

Ich hatte zwei syrische Nachbarn und naja, sie waren einfach ganz normale Leute. Ich war jetzt nicht übervorsichtig, sondern habe halt eine normale Höflichkeit an den Tag gelegt, die ich bei jedem Menschen zeige. Syrisches Essen ist übrigens extrem lecker :whistle:
 
Lotusknospe
Benutzer91095  Team-Alumni
  • #3
Das kommt drauf an, wo der Mensch her ist, warum er geflohen ist, wie seine Erlebnisse gewesen sind und wie er damit umgeht. Ich würde dir raten, ihn einfach mal normal kennenzulernen. Frag ihn ruhig über Kultur, etc., aber frag ihn keine zu privaten Details, die du auch sonst keine Fremden einfach so fragen würdest ("Wieso bist du geflohen?" oder sowas. Nönö, besser nicht fragen, oder erst fragen, wenn ihr euch besser kennt und mögt). Aber über Kultur oder sowas kann man sich schon problemlos unterhalten. Du wirst dann schon sehen, wie er auf deine Fragen reagiert. Manche erzählen gerne, andere nicht. Üblicherweise ist dir keiner böse, wenn du was fragst, was sie nicht beantworten wollen. Sie sagen's dann schon. Solange du ein bisschen sensibel bist, dir deiner eigenen Vorurteile bewusst bist (nicht jeder Flüchtling ist traumatisiert, nicht jeder hat Krieg erlebt, nicht jeder ist arm, nicht jeder ist religiös, etc. wir haben die Vorurteile alle, solange wir "die Flüchtlinge" nur aus den Medien kennen) und auf den Menschen eingehst (jeder Flüchtling hat seine eigene Geschichte!), ist alles gut :smile:
 
LULU1234
Benutzer107106  Planet-Liebe ist Startseite
Redakteur
  • #4
Ja, du darfst solche Dinge fragen. Frage aber nie nach Dingen wie “wie war deine Flucht“ und versuche bei schlimmen Dingen nicht nachzubohren. Erzählt dir jemand, dass sein Bruder im Krieg starb, dann kannst du antworten, dass dir dass sehr leid tut, aber frage nicht wie und wo, etc. Jeder Mensch soll selbst entscheiden können, was er preisgibt.
Unverfängliche Gesprächsthemen sind immer Essen, Spiele aus der Heimat, Sport und Freizeitgestaltung und was sie hier in DE neues gelernt haben. Das sind gute Startpunkte, von denen sich interessante Gespräche, auch über Politik und Religion ergeben. Man lernt sich und alles was man hier als richtig und falsch gelernt hat, neu kennen.
 
N
Benutzer113006  Team-Alumni
  • #5
In der Hinsicht kann dir niemand eine allgemeingültige Antwort geben. An deiner Stelle würde ich einfach so viel Empathie wie möglich im Umgang zeigen.

Meiner Erfahrung nach erzählen dir Personen, die etwas erzählen wollen, dir auch etwas über die Flucht, den Krieg und ihre Erfahrungen. Wenn sie nichts erzählen möchten, dann respektiere das. Traumatisierte Geflüchtete gibt es auch, aber hier sieht/spürt man die Traumatisierung meiner Erfahrung nach erst, wenn man die Person ein wenig länger kennt und öfter mit ihr Kontakt hat. Schlimme Traumatisierungen sind heftig.

Einen Tipp will ich dir noch geben: wirf bitte nicht gleich die Flinte ins Korn, wenn sich die Zusammenarbeit mit Geflüchteten als schwierig erweist. Jeder Mensch ist anders, die Personen kommen aus einem anderen Kulturkreis und stoßen häufig bei unseren "deutschen" Sichtweisen an ihre Grenzen. Leider gehen dann Geflüchtete und Ehrenamtliche im Streit auseinander, "nur" weil es zwischen beiden Seiten kulturelle und sprachliche Missverständnisse gab. Das wäre schade, ein kontinuierliches Verhältnis ist für beide Seiten gewinnbringend. :smile:
 
Elvan
Benutzer158733  Verbringt hier viel Zeit
  • Themenstarter
  • #6
Danke euch allen für die Antworten! :smile: Dann kann ich ja guten Gewissens neugierige Fragen nach der Kultur stellen.

N Noir Désir : Das klingt interessant - welche Missverständnisse haben die Streits denn damals ausgelöst?
 
Guinan
Benutzer34612  Planet-Liebe Berühmtheit
Redakteur
  • #7
Ich arbeite täglich mit Geflüchteten (berufliche Orientierung Bund Integration). Eine goldene Regel gibt's es da nicht, aber ich kann dir erzählen, wie ich das alles so handhabe.

Nach Fluchtgeschichten frage ich nicht explizit, sondern warte, bis es von meinen Jungs selbst kommt. Es sind welche dazwischen, die es triggert und denen es dann nicht gut geht. Die meisten erzählen aber gerne und von sich aus.
Bei mir gehört es dazu, dass ich die Geschichte des Menschen im Rahmen einer Sozialanalyse hinterfrage. Würde ich immehrenamtlichen Bereich auch einfach abwarten, was der Mensch von sich aus erzählt und dann testen, wie weit du halt weiterfragen kannst (oder möchtest...). Insgesamt habe ich bisher festgestellt, dass die meisten gerne aus ihrer Heimat erzählen und dir genau so gerne von ihrer Kultur erzählen, wie du von unserer.

Religion kann ein Reizthema sein und es gab Kurse, da hab ich es komplett ausgeklammert. Kann aber auch total gut gehen und ein entspannter Dialog ist möglich. Muss man halt sich vortasten.

Mach deutlich, dass die Sprache der Schlüssel ist, um Fuß zu fassen, aber dass sich die Zukunft hier nicht am Papieren Sprachzertifikat in der Hand aufhängt. Dass Schreiben genau so wichtig ist, wie sprechen.

Wir kochen oft zusammen "Heimatgerichte". Dabei lernen alle was und haben auch noch Spaß.
Super ist auch, Kontakt zB zu Sportvereinen herzustellen und denjenigen dort unterzubringen.

Ich finde die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen meistens sehr gut, weil sie oft sehr engagiert sind (und ich zugegebenermaßen manchmal auch ein bisschen was delegieren kann :whistle:). Hin und wieder muss ich aber auch jemanden einbremsen, weil die Idee vielleicht gerade ganz toll, aber aufgrund gerade aktueller Bestimmungen nicht möglich ist. Also nicht wundern, wenn da ein Jobcenter-Mitarbeiter, Dozent oder SozPäd mal auf die Bremse tritt :zwinker:
 
Tahini
Benutzer133456  (52) Beiträge füllen Bücher
  • #8
Einen Tip haette ich hier noch:

Wenn zwischen Dir und Deinen "Schuetzlingen" eine Freundschaft besteht, gibt es einen Anknuepfungspunkt, der ganz elegant alle womoeglich schmerzhaften Assoziationen umschifft, denn dann sind's einfach nur zwei Menschen, die miteinander die Welt entdecken.

Ich weiss nicht, ob ich da vielleicht zu britisch bin, aber man kann "Freundschaft light" fuer den Zweck einer semiprofessionellen Situation erschaffen, ohne dabei "fake" zu wirken. Und es setzt das Zeichen, dass man wirklich auf allein menschlicher Ebene miteinander kommuniziert - nicht zwischen Kulturen, nicht zwischen Nationalitaeten, nicht zwischen Berufsgruppen. Einfach nur von Mensch zu Mensch.
 
Guinan
Benutzer34612  Planet-Liebe Berühmtheit
Redakteur
  • #9
Einen Tip haette ich hier noch:

Wenn zwischen Dir und Deinen "Schuetzlingen" eine Freundschaft besteht, gibt es einen Anknuepfungspunkt, der ganz elegant alle womoeglich schmerzhaften Assoziationen umschifft, denn dann sind's einfach nur zwei Menschen, die miteinander die Welt entdecken.

Da gibt's aber auch ein paar Kombinationen, wo das schwierig ist. Als Frau sollte sie sich da zB bei gläubigen Moslems eher zurückhalten. Das klappt nicht so gut. Ich möchte keinesfalls Vorurteile schüren, aber in der Konstellation "ehrenamtliche Frau" und "geflüchteter Mann" sollte frau zumindest je nach Herkunftsland wachsam bleiben.
 
LULU1234
Benutzer107106  Planet-Liebe ist Startseite
Redakteur
  • #10
Thema Konflikte:
Menschen aus dem Iran sind häufig gebildet (wir betreuten u.a. einen Studenten) und haben gleichzeitig eine für uns sehr verstörende Sicht auf Politik. Sie kennen nur das totalitäre System, wir wurden in der Demokratie erzogen. Für unseren Studenten war “Mama Merkel“, wie er sie nannte, wie eine liebende Regimeführerin, die alles bestimmte und alles lenkt. Für ihn hat sie höchstpersönlich sein Busticket bezahlt. Eine Sozialstaatstruktur war ihm völlig fremd. Auch hatten wir die Diskussion, dass alle Deutschen reich sein, warum haben wir kein Haus und keinen Porsche? Wenn er als Ingenieur anerkannt würde, würde er sich sofort Haus und Auto kaufen. Nach dem wir erklärt haben, dass ein Drittel bis Hälfte seines Gehalts versteuert (u.ä.) wird und wir für 90m2 warm fast 1000€ Miete zahlen war er richtig, richtig geschockt. Dieser Kulturschock irritert wieder uns, weil maner denkt, dass man sowas ja wissen müsste. Tun sie aber nicht. Können sie auch nicht.
 
C
Benutzer11345  Meistens hier zu finden
  • #11
Ich bin für eine Organisation tätig, welche auch Tandems vermittelt. Hier gibt es bei uns ein(e) Ansprechpartner(in).
Gibt es diesen auch bei euch? Dann könntest du mit diesem grundlegende Fragen und Hilfestellungen im Vornerein klären.
wenn nicht: offen auf dein Tandem zugehen und euch erstmal kennenlernen
 
Elvan
Benutzer158733  Verbringt hier viel Zeit
  • Themenstarter
  • #12
Tahini Tahini , wie setzt du das praktisch um? Ist das als Mentalstrategie zu verstehen, d.h. stellst du dir in dem Moment einfach vor, die Person sei dein Freund?

C Clavicular , danke dir! Die Organisatoren "meines" Tandems könnte ich wahrscheinlich auch ansprechen. Ich wollte aber zusätzlich mal hier rumfragen, weil ich hier natürlich mehr Menschen erreiche.
 
Zuletzt bearbeitet:
Lotusknospe
Benutzer91095  Team-Alumni
  • #13
Was ganz nett ist, ist, dass das bei euch "Tandems" heißt (und nicht Mentor/Schützling, etc.). Dieses Wort ist (vermute ich) auch bewusst gewählt worden, weil man damit sagen möchte, es ist ein gleichberechtigter Austausch ohne Hierarchie, ohne der abgehobenen "Wir helfen mal den armen Flüchtlingen, weil Charity"-Haltung.

Ich habe auch ein paar Ehrenamtliche betreut, und da gab es immer wieder Probleme damit, dass die Ideen für ihre "Charity" hatten, die mMn für das Tandemprogramm nicht geeignet waren. Eine Ehrenamtliche dachte, sie könnte ihre Altkleider sinnvoll loswerden und wollte die ihrem Tandempartner andrehen. Der wollte die gar nicht haben, war aber viel zu höflich um abzulehnen. Das war dann nicht so super. Anders war es in einem anderen Fall, wo die Flüchtlingsfrau grad ein Baby zur Welt gebracht hat und von ihrem Tandem alte Babykleider bekommen hat. Da wurde aber vorher gefragt und da gab's ja auch nen Anlass.

Also, da sollte man etwas aufpassen und solche Aktionen erstmal hinterfragen. Und man sollte berücksichtigen, dass manche Flüchtlinge gelernt haben, dass sie besser durchkommen, wenn sie den Einheimischen nie widersprechen und zu allem Ja sagen und mit allem einverstanden sind. Das ist natürlich auch nicht gut. Wenn man an so jemanden gelangt, dann muss man schauen, dass man ihn wieder aufrichtet und sein Selbstbewusstsein wieder herstellt.

Und noch was zu den Fluchtgründen: Mir wurde gesagt, dass manche Flüchtlinge in einem Status sind, wo sie Fluchtgründe gar nicht öffentlich diskutieren dürfen. Auch politisch Verfolgte aus afrikanischen Ländern sind da meiner Erfahrung nach hoch sensibel, weil die u.U. auch schon mit Spitzel in Deutschland zu tun gehabt haben. Deswegen wär ich echt sehr vorsichtig bei solchen Fragen. Im Zweifel besser vermeiden.
 
N
Benutzer113006  Team-Alumni
  • #14
N Noir Désir : Das klingt interessant - welche Missverständnisse haben die Streits denn damals ausgelöst?
Lotusknospe Lotusknospe hat es schon gut beschrieben. Zum einen sind manche Flüchtlinge froh, Ehrenamtliche zu haben, die sich engagieren. Aus Höflichkeit und weil sie es nicht besser wissen, sagen sie zu Allem ja. Früher oder später kommt es hier zu Konflikten, wenn ein Flüchtling z.B. etwas abbricht, was ihm der Ehrenamtliche vermittelt hat. Beim Ehrenamtlichen entsteht Unverständnis, weil er so viel Zeit und Mühe investiert hat, der Geflüchtete ist sauer auf den Ehrenamtlichen, weil er etwas vermittelt hat, was ihm nicht gefällt oder zu schwer ist. Daher ist es meiner Meinung nach wichtig, auf die einzelne Person einzugehen und sich ihre Bedürfnisse und Wünsche anzuhören und nicht irgendwas anzuleiern, nur weil man es gut meint.
Oft kommt es einfach auch aufgrund der Sprachbarriere zu Missverständnissen. Wenn dir ein Geflüchteter etwas erzählt, würde ich immer auch die Gegenseite anhören. Manchmal laufen da Dinge schief, einfach weil sie nicht verstanden haben, was sie tun müssen.
 
Tahini
Benutzer133456  (52) Beiträge füllen Bücher
  • #15
Tahini Tahini , wie setzt du das praktisch um? Ist das als Mentalstrategie zu verstehen, d.h. stellst du dir in dem Moment einfach vor, die Person sei dein Freund?

Irgendwie ja.

Im Sinne davon, dass ich einfach alles andere als menschliches Miteinander aussen vor lasse. "Spielkamerad" ist vielleicht eine passende Metapher. "Guck hier! Ein Wirtshaus! Guck da! Ein Opel! Sind ja witzige Dinger..."

Und jegliche "Erwachsenenkonversation" unterbleibt. Also bloss nie ueber Politik, Religion, oder Geld reden.
 
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Guinan
Benutzer34612  Planet-Liebe Berühmtheit
Redakteur
  • #16
Ruhig auch mal mitgehen zu Ausländerbehörde, Jobcenter und co., aber nicht zu viel für denjenigen erledigen, sondern ihn so viel wie möglich selbst machen lassen, auch wenn es länger dauert. Sonst bist du immer der fallback. Kann ja nix schief gehen, weil mein Tandem das schon für mich macht.
 
schuichi
Benutzer135918  Sehr bekannt hier
  • #17
Ich habe da derzeit ein Programm am Laufen wo ich als Bestandteil einer Gruppe Religiöse und Kulturelle fragen beantworte und einen Austausch zustande bringe. So werden "interresierte" Flüchtlinge dann mal in eine Kriche mitgenommen . Man tauscht sich zum Anfnag mit Händen und Füßen über Religion und Kultur aus ... Ich finde es da besonders wichtig, dass der Impuls von dne Geflüchteten kommt, dass sie unsere Kultur besser kennlernen wollen. Auch die Das Abendland prägende christlichen Sitten !Das wird bei dir nicht anders sein, führe sie aber dränge sie nicht irgendwohin.

Ich habe den Fehler bei einer Jungen frau gemacht die eigentlich glücklich war in ihrer Hausfrauenrolle für ihre Familie, sie zu Drängen mit ihrem Mann ein kleine Lokal zu eröffen . Das führte dann zum Bruch ! Einfach weil ich aus Überzeugung Integration und Verständniss über Kulinarisches hin zu bekommen völlig die Individuelle Person vergessen habe.
 
Caelyn
Benutzer87573  (36) Sehr bekannt hier
  • #18
Was bisher noch nicht so erwähnt wurde, was aber generell immer sinnvoll ist, sich vor Augen zu führen wenn man mit Menschen aus anderen Kulturen umgeht, egal ob Flüchtling oder nicht sind die Unterschiede bezüglich:

*Zeitempfinden: unsere deutsche Gesellschaft ist monochron, Zeit ist für uns ein wertvolles Gut, von dem man nur begrenzt besitzt. Man kann Zeit wie eine Linie betrachten, die man einteilen und verplanen kann. Man verschwendet anderer Leute Zeit, wenn man zu spät kommt oder Verabredungen nicht einhält. Wir empfinden so etwas als respektlos.
Andere Gesellschaften haben ein polychrones Zeitempfinden. Zeit ist unendlich vorhanden, das was gerade im Moment für einen wichtig ist wird gemacht, Zeit anderer Menschen kann man deshalb auch nicht verschwenden und es ist auch nicht respektlos, zu spät zu kommen.

*Direktheit vs. Indirektheit: Wir Deutschen sind sehr sehr direkt. Wenn wir etwas nicht haben wollen dann sagen wir "nein", genauso wird auch niemand nochmal nachfragen, ob jemand nicht doch einen Kaffee möchte, wenn der andere schonmal "nein" gesagt hat. Sachen nicht direkt anzusprechen wird hier als "um den heißen Brei herumreden" empfunden und solche Menschen werden nicht ernstgenommen.
Viele andere Gesellschaften kommunizieren indirekter. Es ist unhöflich, als erste Antwort auf die Frage "Willst du einen Kaffee?" gleich "ja" zu antworten, wenn man einen Kaffee haben möchte. Man muss erst einmal "nein" sagen und darf erst beim zweiten oder dritten Mal nachfragen dann "ja" sagen. Genauso ist es so, dass man niemals direkt "nein" sagen darf, sondern eher auf Sachen wie "nicht jetzt, vielleicht später" ausweichen sollte. Außerdem wird erst einmal viel Wert auf Smalltalk gelegt, bevor man sich über das Wesentliche unterhält ("Man kann mit Leuten nicht sprechen/Geschäfte machen/ was auch immer, wenn man sie noch gar nicht kennt"). Das gibt oft Missverständnisse weil Menschen aus anderen Kulturen sich durch unsere Direktheit vor den Kopf gestoßen fühlen, wohingegen wir nicht verstehen, was das Problem des anderen ist und warum diese Person sich (von uns aus gesehen) nicht klar ausdrücken kann.

*Kritik/Schamgefühl/Gesicht wahren: In Deutschland sind wir sehr offen, was Kritik angeht. Das gehört zu unserer Kultur dazu und Kritik ist bei uns, wenn sie konstruktiv geschieht, immer gern gesehen. Gelobt wird nur wenig. Es stellt keinen Gesichtsverlust dar, wenn man von anderen kritisiert wird wenn man die konstruktive Kritik annimmt und sie auch umsetzt.
In anderen Kulturen verlieren Menschen ihr Gesicht, wenn sie kritisiert werden. Kritik wird eher dadurch ausgedrückt, dass das Lob, das immer abgegeben wird, verhaltener kommt. Fehler werden nur unter vier Augen angesprochen (wenn überhaupt)

*Hierarchien: In Deutschland ist es total ok, Hierarchien flach halten zu wollen und auch Autoritätspersonen anzuzweifeln. Wenn ich in der Uni in einem Seminar sitze darf ich meinen Prof. verbessern wenn ich denke er hat da an der Tafel oder in seiner Präsentation einen Fehler gemacht und ich darf auch an der Meinung von Buchautoren zweifeln.
In anderen Kulturen ist die Hierarchie wirklich alles. Leute, die hierarchisch über einem stehen dürfen nicht angezweifelt werden, auch wenn sie absoluten Mist erzählen. Dingen, die in Fachbüchern stehen müssen auch so geglaubt werden.

*Individualität vs. Kollektivität: Bei uns in Deutschland ist der einzelne Mensch wichtig und zählt. Es ist total ok, seine eigene Meinung durchsetzen zu wollen und dafür zu argumentieren. Es muss so lange argumentiert/gestritten/wie auch immer werden bis alle zufrieden sind. Freunde können wichtiger sein, als die Familie.
In anderen Kulturen zählt der einzelne Mensch nicht so viel. Es darf nicht gestritten werden und Leute, die ihre Meinung durchsetzen wollen werden als extrem unhöflich betrachtet. Es muss ein Konsens gefunden werden, der für die Mehrheit am besten ist, nicht einer der alle Meinungen berücksichtigt. Die Familie ist mit das höchste Gut, das es gibt.

Außerdem fährt man, wie die anderen auch schon angemerkt haben, ganz gut damit, die Themen Politik, Religion und Geld erstmal außen vor zu lassen. Wenn beide Parteien Interesse daran haben, das zu diskutieren, dann wird das später schon noch aufkommen.
 
upside-down
Benutzer159764  (41) Verbringt hier viel Zeit
  • #19
Off-Topic:
... dass man sowas ja wissen müsste. Tun sie aber nicht. Können sie auch nicht.

Warum sollten sie das nicht wissen können?
Man muss sich nur für die lokalen Gegebenheiten interessieren und dann stehen die Informationen öffentlich zur Verfügung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Lotusknospe
Benutzer91095  Team-Alumni
  • #20
Bitte keine Flüchtlingsdiskussionen hier.
 
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