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Extreme Reaktion auf beiläufigen Kommentar

Kallin
Benutzer199610  Ist noch neu hier
  • #1
Hallo zusammen, ich möchte anhand einer mehr oder weniger konkreten Situation ein Problem beschreiben, das ich schon recht lange habe. Ich würde mich freuen, wenn ihr mir Gedanken und Bearbeitungsansätze dazu sagen könntet.

Mein Problem äußert sich darin, dass ich auf bestimmte Dinge (Situationen, Aussagen, Trigger) viel zu sensibel reagiere. Kleinigkeiten, bei denen ich weiß, dass sie objektiv betrachtet nicht schlimm sind, die mich aber so umhauen, dass es mir tagelang schlecht geht und ich teilweise Monate oder Jahre später noch daran denke.
Das passiert nicht unbedingt regelmäßig, vielleicht alle paar Monate. Ich scheine einfach auf sehr spezifische Trigger zu reagieren und kann natürlich nicht absehen, wann oder wie ich damit konfrontiert werde, weshalb es mir bisher nicht gelungen ist, mich darauf vorzubereiten.

Kürzlich gab es wieder so einen Vorfall. Leider kann (will) ich nicht zu konkret werden, da ich zu paranoid bin, dass eine involvierte Person es lesen könnte. Deshalb eher eine Beschreibung der Reaktion als des eigentlichen Triggers.
Die Situation war, dass ich um Silvester herum ein paar Tage mit Freunden verbracht habe, was insgesamt toll war, wir hatten eine gute Zeit. Am Abend vor der Abreise bin ich als erster ins Bett, hab gute Nacht gesagt und dabei noch beiläufig etwas gesagt, was ein Freund dann kommentiert hat. Es war nur ein kurzer Satz, aber das, was er gesagt hat, hat mich komplett aus der Bahn geworfen.
Es hat sich angefühlt, als hätte mich etwas mit voller Wucht in der Brust getroffen, als würde mein Herz für einen Moment aussetzen. Ich stand komplett erstarrt da und merkte, wie mir das Lächeln, das ich noch auf den Lippen hatte, langsam aus dem Gesicht fiel. Jemand hat dann nach ein paar Sekunden die peinliche Stille mit einem Kommentar aufgelöst und ich habe dann irgendetwas belangloses gesagt und bin gegangen. Ich habe mich auf die Matratze gesetzt, auf der ich schlief, und habe versucht, nicht zu denken und das Gefühl in meinem Brustkorb unter Kontrolle zu bringen. In meinem Kopf ging sofort die Gedankenspirale los und ich habe krampfhaft versucht, die Gedanken nicht zuzulassen, mich nicht von diesem einen Satz aus der Bahn werfen zu lassen. Es waren dann keine klaren Gedanken, nur ein überwältigendes Flackern in meinem Kopf. Meine Hände und meine Kopfhaut fingen an, merkwürdig zu kribbeln. Es war komisch, mir war nicht schlecht, aber ich wusste irgendwie, dass ich mich übergeben würde. Ich bin deshalb ins Bad und hing dann minutenlang würgend überm Waschbecken. Es kam nur Spucke und Magensäure und als es vorbei war, habe ich in den Spiegel geschaut und ich sah aus, als hätte ich gerade mitangesehen wie jemand ermordet wird. Schneeweiß und meine Augen waren riesig und ich hatte so einen total starren Blick.
Ich bin dann ins Bett und konnte ewig nicht einschlafen. Auch wenn ich mich dazu gezwungen habe, nicht aktiv zu denken, war es, als würde ich das Rauschen meiner nicht zugelassenen Gedanken in meinem Kopf spüren.
Am nächsten Tag war ich dann wie auf Autopilot. Ich war froh, dass ich früh meinen Zug kriegen und dann allein sein konnte.

Das ganze ist jetzt drei Wochen her und ich bin immer noch neben der Spur. Ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken, ich schlafe schlecht, habe keinen Appetit, bin sehr dünnhäutig und deshalb abweisend.

Auch wenn ich nicht auf den genauen Wortlaut eingehen will: ich weiß, warum dieser kleine Satz so eine Wirkung auf mich hatte.
Die letzten Jahre waren nicht unbedingt leicht, viel Unsicherheit, auch finanziell, Selbstzweifel, Angst. Dann schien es endlich bergauf zu gehen. Ich fand etwas, das mir Sicherheit gab und Aussicht auf eine Zukunft. Endlich schien etwas gut zu laufen und die letzten Monate waren gut, mir ging es gut, ich war positiv und optimistisch und hatte endlich das Gefühl, dass etwas richtig läuft.

Das, was mein Freund sagte, bezog sich darauf. Es war eine abwertende Äußerung zu dieser Sache.
Es war ungefähr so als hätte man eine Disgnose bekommen und es geht einem besser weil man endlich versteht, warum es einem schlecht ging, und bekommt dann gesagt, man würde sich jetzt auf der Diagnose ausruhen und es sei falsch, positiv über diese zu denken.
Oder man war immer arm und hat jetzt einen Job und gönnt sich zum ersten Mal im Leben etwas und bekommt dann gesagt, dass es egoistisch ist, Geld auszugeben wenn andere arm sind.
Oder man adoptiert einen Hund und der wächst einem ans Herz und erfährt dann, dass das eine Qualzüchtung ist und man ein Arschloch ist, weil man den trotzdem gekauft hat.

Ich weiß nicht, ob das gute und verständliche Vergleiche sind.
Kurz gesagt: mir ist nach vielen Jahren endlich etwas positives passiert, das mir Halt gegeben hat, und aufgrund eines Kommentars habe ich jetzt das Gefühl, dass ich mich nicht über diese Sache freuen oder mich in irgendeiner Form positiv darüber äußern darf.
Und anstatt es zu ignorieren oder zwar frustriert darüber zu sein, es aber ansonsten so hinzunehmen, kommt bei mir diese extreme Reaktion.

Ich brauche deshalb dringend Rat, was ich tun kann, um mit solchen Dingen zukünftig besser fertig zu werden.
Es kann ja nicht sein, dass ich drei Wochen handlungsfähig bin, weil jemand meine Lebensentscheidungen negativ kommentiert hat.

Danke und viele Grüße.
 
G
Benutzer Gast
  • #2
Hallo Kallin.

Wissen deine Freunde um deine Situation Bescheid und hast du mal kommuniziert, wie mit dir bei solch für dich wichtigen/empfindlichen Themen umgegangen werden sollte?
Hast du ihnen mal klar kommuniziert, was für dich Trigger sind? Wo deine Grenzen sind?

Und dann: Hast du dich mal gefragt, warum dir Kommentare/Meinungen anderer Menschen so wichtig sind? Warum misst du ihnen so viel Bedeutung bei?
Allein was du denkst/fühlst, ist wichtig und relevant.

Wisse, dass andere Menschen meistens nur im Rahmen ihres eigenen Weltbildes, ihres eigenen Handlungsspielraums reagieren/kommentieren/agieren. Das muss nichts mit dir persönlich zu tun haben.
Sie kennen/können das vielleicht nur so, weil nicht anders gelernt und haben nicht die Weitsicht, Dinge von einer anderen Perspektive zu betrachten.
 
S
Benutzer190912  (48) Öfter im Forum
  • #3
Warum wirft es Dich dermassen aus der Bahn? Könnte er denn recht haben? Fühlst Du Dich vor dem Freundeskreis gedemütigt? Was macht es Dir schwer, ihn hinterher anzusprechen dass Du seinen Spruch sehr verletzend gefunden hast (Schlagfertigkeit in der Situation selbst ist nicht einfach), warum kannst Du nicht zwischen subjektiv und objektiv unterscheiden und wissen, dass jeder seine Meinung haben darf, Deine für Dich aber die entscheidende ist?
Dein Selbstwertgefühl scheint am Boden zu sein und Deine Konfliktfähigkeit ebenso. Ich gehe davon aus, dass es genug Anlässe in Deinem bisherigen Leben gab, die Dich haben so werden lassen. Es wäre wichtig, dass Du das mit einem Therapeuthen aufarbeitest, sowohl in Bezug auf die Vergangenheit als auch eben mit praktischen Aspekten für den Alltag
 
ugga
Benutzer172492  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #4
Ich kenne solche Reaktionen von mir, habe auch sehr spezifische Trigger. Alleine bekommt man das nicht in den Griff, weil es zu mächtig ist.
Aber, gute Nachricht: Therapeutisch lassen gerade spezifische Trigger sich sehr gut und langanhaltend bearbeiten.

Ich würde Dir eine Therapie mit Traumafokus empfehlen, am besten jemanden, die/ der in EMDR ausgebildet ist (das ist eine sehr gut erforschte Methode zur Behandlung).
Entsprechende Therapeut:innen findest du unter der Seite der kassenärztlichen Vereinigung deines Bundeslandes. Da gibt es eine gute Suchmaske.
Falls ich doch in der therapeutischen Ausrichtung daneben liege, wird dir so jemand im Erstgespräch trotzdem ein passendes psychologisches Fachgebiet empfehlen können.

Aber erstmal gute Besserung! Drei Wochen sind hart🌷 du hast natürlich verdient, dass es dir besser geht ❤️
 
J
Benutzer186595  Verbringt hier viel Zeit
  • #5
Ich kenne das Gefühl ein bisschen, auch wenn es bei mir nicht so lange dauert. Ich glaube, die Situationen die du beschreibst, und auch dass was für dich dahinter steht sind nur Auslöser, es klingt so, als ob da noch etwas tieferes dahinter liegt. Du stellst dir die richtigen Fragen, ich glaube der Ansatz dass die anderen sich anders verhalten sollen wäre nicht zielführend, eher die Frage warum es dich so umhaut. Ich sehe das ganz ähnlich wie ugga ugga
 
Kallin
Benutzer199610  Ist noch neu hier
  • Themenstarter
  • #6
Vielen Dank für die Rückmeldungen.

Den Punkt habe ich vergessen bzw. hätte zum besseren Verständnis besser drauf eingehen sollen: ich denke, mein Problem liegt darin, wenn andere Dinge über mich denken, die nicht korrekt sind und ich keine Möglichkeit habe, das zu beweisen. Oder wenn mir einfach nicht geglaubt wird.
Ich habe nicht grundsätzlich ein Problem mit Kritik. Wenn mich jemand kritisiert, nehme ich das zur Kenntnis und denke darüber nach, ob es zutreffend ist oder nicht. Manchmal komme ich zu dem Schluss, dass die Person richtig liegt und auch wenn mir die Erkenntnis nicht gefällt, akzeptiere ich es, weil etwas ja nicht aufhört, wahr zu sein, nur weil ich es abstreite. Kurz gesagt bin ich dann nicht erfreut über die Kritik (oder die Art, in der sie vorgebracht wurde), aber ich kann sie akzeptieren und damit umgehen.
Mein Problem beginnt da, wo andere Mutmaßungen und Behauptungen über mich aufstellen und falsche Schlüsse ziehen.
Für mich macht es gefühlsmäßig einen eklatanten Unterschied, ob jemand sagt "Ich habe den Eindruck, du denkst/fühlst das" oder ob jemand sagt "Ich weiß, dass du das denkst/fühlst" und meine Einwände ignoriert.
Das erste ist eine Vermutung, Frage, Theorie. Die Person stellt eine Vermutung über mich in den Raum, ist aber offen für Erklärungen und glaubt mir, wenn ich sage, dass die Vermutung inkorrekt ist.
Das zweite ist eine unumstößliche Feststellung. "Du bist X weil ICH entschieden habe, dass du das bist. ICH kenne dich besser als du dich selbst kennst. Und wenn du dem nicht zustimmst, bist du einfach uneinsichtig".
Das ist es, womit ich nicht umgehen kann. Wenn andere denken, sie kennen mich besser als ich mich selbst kenne. Wenn sie ein Bild von mir haben und beschließen, dass dieses Bild korrekt ist und mich so zu jemandem machen, der ich nicht bin.
Wenn sie mich in eine Schablone zwängen und mir die Kontrolle nehmen. Mir nicht erlauben, ich zu sein.

Ich weiß nicht, ob ich hier im Unrecht bin oder die Personen, die so handeln. Ob es hier überhaupt richtig und falsch gibt.
Ich weiß nur, dass ich es nicht nachvollziehen kann, warum Menschen so handeln, so kommunizieren.
Natürlich habe auch ich Vermutungen darüber auf, warum Menschen bestimmte Dinge tun oder was sie denken oder fühlen könnten. Aber es geht bei mir nie über wage Vermutungen hinaus und ich würde nie auf die Idee kommen, anderen zu sagen, wer oder was sie sind oder was sie denken und fühlen. Das zu tun, käme mir anmaßend und extrem übergriffig vor.
Ich merke das bei diesem Freund sehr oft und merke, wie es an meinem Selbstwertgefühl kratzt, weil ich andauernd das Gefühl habe, mich erklären und rechtfertigen zu müssen und als würde er in meinen Aussagen nach Widersprüchen suchen, die er mir dann als Beweise vorhalten kann.
Vielleicht kommunizieren wir einfach auf sehr unterschiedliche Arten, was zu Missverständnissen und Verständnisproblemen führt. Vielleicht bin ich auch einfach uneinsichtig und weniger reflektiert als ich denke.

Ich möchte es nicht mit besagtem Freund besprechen, ich möchte einfach Wege finden, besser damit umzugehen, wenn so etwas konkret passiert. Irgendwie lernen, mich in solchen Situationen nicht mehr so umwerfen zu lassen.

Ich muss nach einer längeren Therapiepause die Motivation aufbringen, einen neuen Termin auszumachen. Sicher würde es helfen, dieses Thema dort einmal ausführlich zu besprechen.
 
ugga
Benutzer172492  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #7
mir die Kontrolle nehmen
anmaßend und extrem übergriffig vor
Kontrollverlust ist eine essentielle Komponente von traumatisch erlebten Ereignissen. Zudem können Grenzüberschreitungen/ Übergriffig erlebtes traumatisch sein.

An welche Kontrollverluste/ hilflosen Situationen von früher, wo du in ein Schema gepresst wurdest, erinnert dich die Art des Kumpels?
Musst du hier gar nicht beantworten, kannst du dich fragen.

Und dann noch eine Anmerkung: Du darfst Menschen, die dir nicht gut tun, auf ein Kontaktminimum runterfahren. Selbst ohne entsprechende Vorgeschichte scheint er ein extrem unangenehmer Zeitgenosse zu sein. Freunde drücken anderen Freunden keine miesen, abwertenden Sprüche sondern freuen sich mit ihnen.
 
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