Benutzer81102 (33)
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Hallo zusammen,
ich habe wirklich lange hin und her überlegt, ob ich dieses Thema eröffnen soll. Aber da ich immer wieder an den Punkt komme, mich in der Situation gefangen und verzweifelt zu fühlen, möchte ich es nun einfach mal versuchen. Anregungen von komplett Außenstehenden können ja ggf. doch nochmal neue Perspektiven eröffnen. Ich weiß nämlich wirklich nicht weiter.
Mein Mann und ich sind seit 7 Jahren ein Paar und seit fast 4 Jahren verheiratet. Wir haben zwei gemeinsame Kinder, das Jüngste ist erst ein paar Wochen alt. Unsere Beziehung war immer eher „leidenschaftlich" und bunt. Wir sind ziemlich verschieden, das sorgt ab und an für Sand im Getriebe bzw. ist manches Mal recht anstrengend. Er ist eher so der kreative Chaot, kontaktstark und flexibel, ich eher ruhig, strukturiert, besonnen und habe meine Pläne. Bislang habe ich unsere Unterschiede als Bereicherung empfunden. Wir schauen beide über den Tellerrand, profitieren vom anderen, ergänzen uns im Normalfall gut. Unsere Werte sind dieselben, unsere generellen Lebensziele ebenfalls. Unsere Kommunikation mussten wir erst erproben, aber haben unsere Wege gefunden. Oder hatten?
In den letzten zwei Jahren hakt es leider zunehmend und ich bin unter dem Strich unglücklich und unsicher. Es war keine leichte Zeit, es gab einige Ereignisse, die insbesondere meinen Mann sehr auf die Probe gestellt haben. Er leidet von Kindheit an an Selbstzweifeln und einem schlechten Selbstwertgefühl, dafür gibt es verschiedene Ursachen (Legasthenie/ADHS und zusätzlich eine völlig verkorkste Beziehung zu seinem Vater, der ihn bis vor wenigen Monaten immer wieder sehr abwertete). In unserer Beziehung hat man das aber in den ersten Jahren kaum gemerkt, es hat sich eher auf ihn selbst ausgewirkt (Prüfungsängste, sich selbst nicht viel zutrauen, etc.). Er ist inzwischen erfolgreich selbstständig tätig im Handwerk, hat also seinen Weg gefunden (einen sehr guten, wie ich finde); ich selbst habe zwei Studiengänge absolviert und arbeite ebenfalls recht erfolgreich, allerdings in einer völlig anderen Branche. Mir fiel das Lernen immer so zu, ihm durch die beschriebenen Umstände eher nicht. Ich umschreibe auch das explizit, weil auch dieser „Bildungsunterschied" (bewusst in Anführungsstrichen, da es für mich nie eine Rolle spielte!) inzwischen leider Einfluss nimmt.
Bedingt durch die Herausforderungen der letzten zwei Jahre hat das (vorher bereits etwas angeknackste) Selbstvertrauen meines Mannes ziemliche Kratzer erhalten. Neben einer Depression, die sich mit viel Müdigkeit, Antriebslosigkeit, noch mehr Chaos als ohnehin schon und Gereiztheit äußerte, verhält er sich seit einigen Monaten immer mal wieder bei Konflikten ziemlich grob mir gegenüber. Er projiziert seine Versagensängste auf mich, fühlt sich also häufig abgelehnt oder unterschätzt und bekämpft das dann sozusagen an meiner Person. Er geht also in den Gegenangriff, obwohl es meinerseits meist absolut keinen Angriff gab. Im Gegenteil, ich kämpfe seit Monaten wie eine Bescheuerte um unsere Ehe, versuche Nähe und Liebe hochzuhalten, gemeinsam Zeit mit ihm zu verbringen, unser Paarkonto positiv aufzuladen. Wenn es ihm schlecht geht oder er unsicher ist, sieht er das aber nicht wirklich. Inzwischen bin ich selbst so traurig und wütend über alles, dass ich mich kaum noch in der Lage fühle, positiv auf ihn zuzugehen.
Konkret äußert sich das wie beschrieben in Konflikten, es fallen irgendwann respektlose Äußerungen, die mich sehr verletzen. Er steckt mich wiederholt in die Schublade „überheblich"/„arrogant", nennt mich „Heilige Maria" (weil ich ja angeblich meine, immer alles richtig zu machen) oder „Besserwisserin". Das sind Kleinigkeiten im Vergleich, aber da sie alle in dieselbe Kerbe hauen, tut es inzwischen einfach weh. Betrunken sagte er auch schon, dass bei mir im „Oberstübchen" nicht mehr alles richtig laufe. Oder dass ich immer unnahbar täte, dabei müsste ich selbst in Therapie. Wahlweise bin ich auch egozentrisch, denke nur an mich, bin unreflektiert usw. Im Konflikt provoziert er mich zum Teil richtiggehend und triggert meine wunden Punkte. Ich bin ein ziemlich emotionaler Mensch, ich wahre im Streit verbal fast immer meine Grenzen und bin an sich sehr kontrolliert, aber wenn man mich reizt, bin ich irgendwann laut/weine vor Wut/aufgebracht. Das spielt er dann aus und sagt, ich könne mich nicht regulieren. Quasi wie eine Beweisführung, denn wenn ich vorher mehrfach versuche, den Konflikt zu unterbrechen (den Raum wechsle bspw. oder sage, dass ich gerade nicht weiter darüber sprechen will, weil beide zu hitzig sind), setzt er solange nach, bis er genau diese unkontrollierte Reaktion meinerseits hat, um sie mir dann unter die Nase zu halten. Er fühlt sich einfach unterlegen und inzwischen habe ich den Eindruck, dass er mich im Konflikt anfängt abzuwerten, um sich selbst besser zu fühlen. Eigentlich ist er der (traurigen) Ansicht, dass ich ihn eh bald verlasse, weil er nicht gut genug für mich wäre. Da kann ich gegenreden so viel ich will, es sitzt fest. Und äußert sich dann in Distanz und Kälte seinerseits, es ist wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Es fallen dann noch diverse weitere Charakterumschreibungen, denen eins gemeinsam ist: so bin ich nicht.
Ich muss dazu sagen, dass ich anders diskutiere als er, ihn da manchmal zu dominant an die Wand spiele, unterbreche, meine Meinung sehr stark vertrete (meinerseits eine negative elterliche Prägung). Das hilft natürlich nicht, er fühlt sich dadurch natürlich erst recht unrespektiert. Ich bin aber nunmal auch ich, mit meinen Stärken und meinen Macken, und ich habe das Gefühl, wir krachen inzwischen nur noch aneinander und finden gerade keine gemeinsame Basis mehr. Zumal diese Abwertungen für mich ein rotes Tuch sind. Natürlich sagt man im Streit mal blöde Sachen (ich auch), aber innerhalb von gewissen Grenzen. Die verlässt er in den letzten Monaten aber leider regelmäßig. Manchmal frage ich mich, ob er überhaupt noch sieht, wer ich bin oder ob er ein verzerrtes Bild wahrnimmt.
Hoffnung habe (hatte?) ich, weil er nach dem Streit, wenn die Gemüter sich beruhigt haben, sehr reflektiert ist. Er entschuldigt sich fast ausnahmslos aufrichtig und komplett von allein, nimmt seine Sätze zurück, steht ausführlich dafür ein und reflektiert, was ihn da so anpiekst, dass er sich manchmal im Streit sehr fies verhält. Außerhalb, im Alltag, ist er im Normalfall sehr liebevoll und fürsorglich, sehr aufmerksam und eigentlich ein sehr positiver enthusiastischer Mensch. Bedingt durch seine Probleme bzw. die Lebensumstände ist seine Positivität aber natürlich ebenfalls sehr überschattet in den letzten Monaten.
Aufgrund unserer Konflikte, aber vor allem aufgrund seiner depressiven Symptomatik, ist er seit ein paar Monaten in Therapie, was ich gut und wichtig finde. Das hat auch schon wirklich viel positiv verändert. Unsere Konflikte wurden deutlich seltener, er fühlt sich sehr viel weniger angegriffen, sucht nach Strategien, im Streit respektvoll zu bleiben und arbeitet mit seinem Therapeuten natürlich wahnsinnig viel an seinen grundlegenden Themen. Die Therapie ist er selbstständig angegangen. Wenn er „er selbst" ist (so bezeichne ich es für mich, es sind manchmal quasi zwei Gesichter), spüre ich meine tiefe Liebe zu ihm und sehe, wieso wir verheiratet und zusammen sind. Wir lachen zusammen, haben Freude im Alltag, teilen unsere Ansichten der Kindererziehung etc. Er ist ein verdammt liebevoller Vater. Wenn er innerlich ins Wanken gerät, stellt er irgendwie um und verhält sich distanziert, kühl und angriffslustig; den Kindern gegenüber absolut nie, er ist der beste Papa, den sie sich wünschen könnten. Aber mir und auch anderen Personen in seinem nahen Umfeld gegenüber wird er dann schwierig. Man merkt das auch daran, dass er dann plötzlich mit allen Streit hat, seiner Mutter, seinem Opa, mir. Aber wie gesagt - die Therapie hatte da bisher schon viel Ruhe reingebracht.
Aktuell steht er nun wieder mehr unter Strom, weil er eine berufliche Herausforderung zu bewältigen hat. Und leider merkt man das nun wieder. Die Therapie läuft natürlich auch noch nicht ausreichend lange, um jahrzehntelange Wunden zu verschließen, aber dennoch geht mir langsam die Kraft und das Verständnis aus. Der letzte Konflikt wurde (erstmalig, sonst haben wir unsere Spannungen so gut es geht von unseren Kindern ferngehalten) von ihm vor den Kindern beim Abendessen angezettelt. Er spulte noch dazu sein Schema des Provozierens ab. Man merkte, er muss irgendwie Dampf ablassen. Ich hab mehrfach versucht, die Situation zu blocken (recht harsch, weil ich selbst inzwischen angekratzt bin, aber dennoch respektvoll). Er hat aber immer wieder nachgesetzt, bis ich emotionaler wurde, woraufhin er dann vor den Kindern sagte, ich sei aggressiv und könne mich nicht regulieren, das würde man ja gerade feststellen. Auf die erneute Aufforderung, das eigentliche Streitthema in die Schlafenszeit der Kinder zu vertagen, kam immer nur wieder „wieso, regulier dich doch, aber das kannst du natürlich nicht!". Zuguterletzt sagte er, unsere Tochter könne mich ruhig so erleben, denn sie solle später „anders" werden. Da war für mich komplett der Ofen aus. Konflikte vor den Kindern gehen gar nicht, zumindest, wenn sie destruktiv ablaufen. Da sie das bei uns in den letzten Monaten zu oft tun, hatten wir eigentlich die Vereinbarung, Themen vor den Kindern zu unterbrechen, wenn sie zu emotional werden. Es war das erste und letzte Mal eines destruktiven Streits vor den Kindern und weil er mich in diesem noch dazu erneut charakterlich abwertete, war das für mich wirklich verdammt schlimm. Das hat richtiggehend etwas zerbrochen in mir, es war für mich der Horror, dass er Dinge über mich sagte, die beleidigend sind und natürlich nicht zutreffen (das können die Kinder ja nicht differenzieren), dass er mich wiederholt in die Enge drängte, so dass ich viel emotionaler wurde als ich wollte (was ich mir heftig selber vorwarf in der Zeit danach) und dass die zwei überhaupt unsere Spannungen mitbekommen haben.
Seit dem stehe ich irgendwie neben mir. Auch diesen Konflikt haben wir am Tag darauf besprochen, konstruktiv, offen. Er hat absolute Schuldgefühle, es tut ihm Leid, das glaube ich ihm auch. Seit dem hütet er sich auch extrem, irgendwas vor den Kindern aufkommen zu lassen. Genau genommen gab es seit dem (ein paar Wochen) keinen Streit mehr. Aber ich bin irgendwie aus dem Takt geraten. Diese letzte Situation hat mich so nachhaltig verletzt, dass ich Zweifel spüre, ob wir überhaupt eine Zukunft haben. Bislang bezogen sich die Zweifel auf die schwierigen Monate und die Streitkultur, ich war aber immer sicher, eine hoffnungsvolle Perspektive zu sehen. Ich habe immer an ihn und uns geglaubt und war mir vor allem unserer Liebe zueinander immer sicher. Felsenfest. Natürlich hat er zu oft in letzter Zeit meine persönliche Grenze überschritten, aber ich konnte es einordnen aufgrund der Umstände. Dieses Fundament hat nun Risse bekommen. Ich hinterfrage nun all unsere Unterschiede und ihn als Person ganz generell und frage mich inzwischen (und diese Frage macht mich wirklich wahnsinnig), ob ich ihn überhaupt je richtig „gekannt" bzw. eingeschätzt habe. Habe ich mir unsere Beziehung schön geredet? Jahrelang? War es eigentlich schon immer klar, dass wir im Grunde genommen nicht zueinander passen? Eine leise Stimme in mir sagt, dass das Quatsch ist. 5 von 7 Jahren war ich weitestgehend glücklich, habe mir nie diese grundlegenden Gedanken gemacht. Es war definitiv nicht immer einfach, ich könnte sicherlich eine harmonischere/ruhigere Beziehung mit einem mir ähnlicheren Partner führen. Aber die Liebe war immer da. Aber in den letzten 1-2 Jahren hebeln uns unsere Unterschiede irgendwie aus. Sie sind aktuell eher eine Belastung und keine Bereicherung. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass viel von dem, was mein Mann positiv in die Beziehung einbrachte, durch seine Depressionen temporär (?) weggefallen ist.
Abgesehen von der grundsätzlichen Passung nagen aber auch diese Konflikte vermehrt an mir und ich frage mich in sehr schwarzen Momenten, wen ich eigentlich geheiratet habe…in Bezug auf diese Abwertungen, denn die finde ich furchtbar. Eigentlich wusste ich immer, wer er ist. Ein fürchterlich gutherziger, aber leider manchmal unsicherer Kerl. Er war auch immer offen und ehrlich stolz auf mich und meine Laufbahn. Vielleicht mal unsicher in Bezug auf kleinere Verlustängste, aber er hat mich immer positiv unterstützt und ich hatte nie das Gefühl, er will mich irgendwie klein machen. Dadurch, dass sein Selbstwert in den letzten 1-2 Jahren aber ziemlich gelitten hat, ist das irgendwie umgeschlagen. Im Alltag nicht, aber eben im Streit, wenn es emotionaler wird. In den Konflikten sehe ich diese Angriffslust und Härte und fühle mich meilenweit weg von ihm. So liebe ich ihn nicht, diese Art und Weise will ich nicht auf Dauer in unserer Beziehung bzw. an meinem Mann sehen. Hinzu kommt natürlich, dass diese Krise parallel zur Schwangerschaft und Geburt unseres zweiten Kindes lief, was diese eigentlich schöne und besondere Zeit doch öfter als mir lieb ist überschattet hat.
Tja. Das ist so ungefähr die Ausgangslage. Für mich steht fest, dass wir in guten und in schlechten Zeiten zueinander stehen. Und natürlich haben wir unsere Kinder und der Gedanke an eine Trennung macht mir auch (nicht nur!) deswegen absolute Übelkeit. Es zerreißt mir das Herz. Ich meine auch, meinen Mann eigentlich besser zu kennen, frage mich aber inzwischen, wie die Differenzen und der Graben zwischen uns (oder eher in mir) wieder zu schließen sind. Ich bin total sensibel inzwischen. Und ständig genervt, von irgendwie allem an ihm. Seine Unordnung, sein Chaos, ich bin ungeduldig in Gesprächen, und und und. Eigentlich hat sich im Umfeld so viel stabilisiert, es geht aufwärts, vieles hat sich sortiert, er ist in Therapie usw. Aber ich frage mich, ob ich mich nun doch zu sehr entfremdet habe..:ich frage mich andererseits, ob ich mich selbst da vielleicht auch zu negativ in meine Gedankenspiralen reindrehe. Generell frage ich mich gerade sehr viel, was in Anbetracht eines erst ein paar Wochen alten Babys wirklich sehr belastend ist. Da hämmert nämlich eigentlich das Bindungssystem und man möchte das neue Familienglück genießen. Aber ich möchte das Ganze auch nicht einfach ignorieren, was in mir los ist. Das geht momentan auch gar nicht.
Ich belasse es nun erstmal hierbei, wenn ihr Fragen habt, bitte immer gerne her damit. Danke fürs „zuhören" (lesen). Ich habe es leider nicht geschafft, mich kürzer zu fassen…
ich habe wirklich lange hin und her überlegt, ob ich dieses Thema eröffnen soll. Aber da ich immer wieder an den Punkt komme, mich in der Situation gefangen und verzweifelt zu fühlen, möchte ich es nun einfach mal versuchen. Anregungen von komplett Außenstehenden können ja ggf. doch nochmal neue Perspektiven eröffnen. Ich weiß nämlich wirklich nicht weiter.
Mein Mann und ich sind seit 7 Jahren ein Paar und seit fast 4 Jahren verheiratet. Wir haben zwei gemeinsame Kinder, das Jüngste ist erst ein paar Wochen alt. Unsere Beziehung war immer eher „leidenschaftlich" und bunt. Wir sind ziemlich verschieden, das sorgt ab und an für Sand im Getriebe bzw. ist manches Mal recht anstrengend. Er ist eher so der kreative Chaot, kontaktstark und flexibel, ich eher ruhig, strukturiert, besonnen und habe meine Pläne. Bislang habe ich unsere Unterschiede als Bereicherung empfunden. Wir schauen beide über den Tellerrand, profitieren vom anderen, ergänzen uns im Normalfall gut. Unsere Werte sind dieselben, unsere generellen Lebensziele ebenfalls. Unsere Kommunikation mussten wir erst erproben, aber haben unsere Wege gefunden. Oder hatten?
In den letzten zwei Jahren hakt es leider zunehmend und ich bin unter dem Strich unglücklich und unsicher. Es war keine leichte Zeit, es gab einige Ereignisse, die insbesondere meinen Mann sehr auf die Probe gestellt haben. Er leidet von Kindheit an an Selbstzweifeln und einem schlechten Selbstwertgefühl, dafür gibt es verschiedene Ursachen (Legasthenie/ADHS und zusätzlich eine völlig verkorkste Beziehung zu seinem Vater, der ihn bis vor wenigen Monaten immer wieder sehr abwertete). In unserer Beziehung hat man das aber in den ersten Jahren kaum gemerkt, es hat sich eher auf ihn selbst ausgewirkt (Prüfungsängste, sich selbst nicht viel zutrauen, etc.). Er ist inzwischen erfolgreich selbstständig tätig im Handwerk, hat also seinen Weg gefunden (einen sehr guten, wie ich finde); ich selbst habe zwei Studiengänge absolviert und arbeite ebenfalls recht erfolgreich, allerdings in einer völlig anderen Branche. Mir fiel das Lernen immer so zu, ihm durch die beschriebenen Umstände eher nicht. Ich umschreibe auch das explizit, weil auch dieser „Bildungsunterschied" (bewusst in Anführungsstrichen, da es für mich nie eine Rolle spielte!) inzwischen leider Einfluss nimmt.
Bedingt durch die Herausforderungen der letzten zwei Jahre hat das (vorher bereits etwas angeknackste) Selbstvertrauen meines Mannes ziemliche Kratzer erhalten. Neben einer Depression, die sich mit viel Müdigkeit, Antriebslosigkeit, noch mehr Chaos als ohnehin schon und Gereiztheit äußerte, verhält er sich seit einigen Monaten immer mal wieder bei Konflikten ziemlich grob mir gegenüber. Er projiziert seine Versagensängste auf mich, fühlt sich also häufig abgelehnt oder unterschätzt und bekämpft das dann sozusagen an meiner Person. Er geht also in den Gegenangriff, obwohl es meinerseits meist absolut keinen Angriff gab. Im Gegenteil, ich kämpfe seit Monaten wie eine Bescheuerte um unsere Ehe, versuche Nähe und Liebe hochzuhalten, gemeinsam Zeit mit ihm zu verbringen, unser Paarkonto positiv aufzuladen. Wenn es ihm schlecht geht oder er unsicher ist, sieht er das aber nicht wirklich. Inzwischen bin ich selbst so traurig und wütend über alles, dass ich mich kaum noch in der Lage fühle, positiv auf ihn zuzugehen.
Konkret äußert sich das wie beschrieben in Konflikten, es fallen irgendwann respektlose Äußerungen, die mich sehr verletzen. Er steckt mich wiederholt in die Schublade „überheblich"/„arrogant", nennt mich „Heilige Maria" (weil ich ja angeblich meine, immer alles richtig zu machen) oder „Besserwisserin". Das sind Kleinigkeiten im Vergleich, aber da sie alle in dieselbe Kerbe hauen, tut es inzwischen einfach weh. Betrunken sagte er auch schon, dass bei mir im „Oberstübchen" nicht mehr alles richtig laufe. Oder dass ich immer unnahbar täte, dabei müsste ich selbst in Therapie. Wahlweise bin ich auch egozentrisch, denke nur an mich, bin unreflektiert usw. Im Konflikt provoziert er mich zum Teil richtiggehend und triggert meine wunden Punkte. Ich bin ein ziemlich emotionaler Mensch, ich wahre im Streit verbal fast immer meine Grenzen und bin an sich sehr kontrolliert, aber wenn man mich reizt, bin ich irgendwann laut/weine vor Wut/aufgebracht. Das spielt er dann aus und sagt, ich könne mich nicht regulieren. Quasi wie eine Beweisführung, denn wenn ich vorher mehrfach versuche, den Konflikt zu unterbrechen (den Raum wechsle bspw. oder sage, dass ich gerade nicht weiter darüber sprechen will, weil beide zu hitzig sind), setzt er solange nach, bis er genau diese unkontrollierte Reaktion meinerseits hat, um sie mir dann unter die Nase zu halten. Er fühlt sich einfach unterlegen und inzwischen habe ich den Eindruck, dass er mich im Konflikt anfängt abzuwerten, um sich selbst besser zu fühlen. Eigentlich ist er der (traurigen) Ansicht, dass ich ihn eh bald verlasse, weil er nicht gut genug für mich wäre. Da kann ich gegenreden so viel ich will, es sitzt fest. Und äußert sich dann in Distanz und Kälte seinerseits, es ist wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Es fallen dann noch diverse weitere Charakterumschreibungen, denen eins gemeinsam ist: so bin ich nicht.
Ich muss dazu sagen, dass ich anders diskutiere als er, ihn da manchmal zu dominant an die Wand spiele, unterbreche, meine Meinung sehr stark vertrete (meinerseits eine negative elterliche Prägung). Das hilft natürlich nicht, er fühlt sich dadurch natürlich erst recht unrespektiert. Ich bin aber nunmal auch ich, mit meinen Stärken und meinen Macken, und ich habe das Gefühl, wir krachen inzwischen nur noch aneinander und finden gerade keine gemeinsame Basis mehr. Zumal diese Abwertungen für mich ein rotes Tuch sind. Natürlich sagt man im Streit mal blöde Sachen (ich auch), aber innerhalb von gewissen Grenzen. Die verlässt er in den letzten Monaten aber leider regelmäßig. Manchmal frage ich mich, ob er überhaupt noch sieht, wer ich bin oder ob er ein verzerrtes Bild wahrnimmt.
Hoffnung habe (hatte?) ich, weil er nach dem Streit, wenn die Gemüter sich beruhigt haben, sehr reflektiert ist. Er entschuldigt sich fast ausnahmslos aufrichtig und komplett von allein, nimmt seine Sätze zurück, steht ausführlich dafür ein und reflektiert, was ihn da so anpiekst, dass er sich manchmal im Streit sehr fies verhält. Außerhalb, im Alltag, ist er im Normalfall sehr liebevoll und fürsorglich, sehr aufmerksam und eigentlich ein sehr positiver enthusiastischer Mensch. Bedingt durch seine Probleme bzw. die Lebensumstände ist seine Positivität aber natürlich ebenfalls sehr überschattet in den letzten Monaten.
Aufgrund unserer Konflikte, aber vor allem aufgrund seiner depressiven Symptomatik, ist er seit ein paar Monaten in Therapie, was ich gut und wichtig finde. Das hat auch schon wirklich viel positiv verändert. Unsere Konflikte wurden deutlich seltener, er fühlt sich sehr viel weniger angegriffen, sucht nach Strategien, im Streit respektvoll zu bleiben und arbeitet mit seinem Therapeuten natürlich wahnsinnig viel an seinen grundlegenden Themen. Die Therapie ist er selbstständig angegangen. Wenn er „er selbst" ist (so bezeichne ich es für mich, es sind manchmal quasi zwei Gesichter), spüre ich meine tiefe Liebe zu ihm und sehe, wieso wir verheiratet und zusammen sind. Wir lachen zusammen, haben Freude im Alltag, teilen unsere Ansichten der Kindererziehung etc. Er ist ein verdammt liebevoller Vater. Wenn er innerlich ins Wanken gerät, stellt er irgendwie um und verhält sich distanziert, kühl und angriffslustig; den Kindern gegenüber absolut nie, er ist der beste Papa, den sie sich wünschen könnten. Aber mir und auch anderen Personen in seinem nahen Umfeld gegenüber wird er dann schwierig. Man merkt das auch daran, dass er dann plötzlich mit allen Streit hat, seiner Mutter, seinem Opa, mir. Aber wie gesagt - die Therapie hatte da bisher schon viel Ruhe reingebracht.
Aktuell steht er nun wieder mehr unter Strom, weil er eine berufliche Herausforderung zu bewältigen hat. Und leider merkt man das nun wieder. Die Therapie läuft natürlich auch noch nicht ausreichend lange, um jahrzehntelange Wunden zu verschließen, aber dennoch geht mir langsam die Kraft und das Verständnis aus. Der letzte Konflikt wurde (erstmalig, sonst haben wir unsere Spannungen so gut es geht von unseren Kindern ferngehalten) von ihm vor den Kindern beim Abendessen angezettelt. Er spulte noch dazu sein Schema des Provozierens ab. Man merkte, er muss irgendwie Dampf ablassen. Ich hab mehrfach versucht, die Situation zu blocken (recht harsch, weil ich selbst inzwischen angekratzt bin, aber dennoch respektvoll). Er hat aber immer wieder nachgesetzt, bis ich emotionaler wurde, woraufhin er dann vor den Kindern sagte, ich sei aggressiv und könne mich nicht regulieren, das würde man ja gerade feststellen. Auf die erneute Aufforderung, das eigentliche Streitthema in die Schlafenszeit der Kinder zu vertagen, kam immer nur wieder „wieso, regulier dich doch, aber das kannst du natürlich nicht!". Zuguterletzt sagte er, unsere Tochter könne mich ruhig so erleben, denn sie solle später „anders" werden. Da war für mich komplett der Ofen aus. Konflikte vor den Kindern gehen gar nicht, zumindest, wenn sie destruktiv ablaufen. Da sie das bei uns in den letzten Monaten zu oft tun, hatten wir eigentlich die Vereinbarung, Themen vor den Kindern zu unterbrechen, wenn sie zu emotional werden. Es war das erste und letzte Mal eines destruktiven Streits vor den Kindern und weil er mich in diesem noch dazu erneut charakterlich abwertete, war das für mich wirklich verdammt schlimm. Das hat richtiggehend etwas zerbrochen in mir, es war für mich der Horror, dass er Dinge über mich sagte, die beleidigend sind und natürlich nicht zutreffen (das können die Kinder ja nicht differenzieren), dass er mich wiederholt in die Enge drängte, so dass ich viel emotionaler wurde als ich wollte (was ich mir heftig selber vorwarf in der Zeit danach) und dass die zwei überhaupt unsere Spannungen mitbekommen haben.
Seit dem stehe ich irgendwie neben mir. Auch diesen Konflikt haben wir am Tag darauf besprochen, konstruktiv, offen. Er hat absolute Schuldgefühle, es tut ihm Leid, das glaube ich ihm auch. Seit dem hütet er sich auch extrem, irgendwas vor den Kindern aufkommen zu lassen. Genau genommen gab es seit dem (ein paar Wochen) keinen Streit mehr. Aber ich bin irgendwie aus dem Takt geraten. Diese letzte Situation hat mich so nachhaltig verletzt, dass ich Zweifel spüre, ob wir überhaupt eine Zukunft haben. Bislang bezogen sich die Zweifel auf die schwierigen Monate und die Streitkultur, ich war aber immer sicher, eine hoffnungsvolle Perspektive zu sehen. Ich habe immer an ihn und uns geglaubt und war mir vor allem unserer Liebe zueinander immer sicher. Felsenfest. Natürlich hat er zu oft in letzter Zeit meine persönliche Grenze überschritten, aber ich konnte es einordnen aufgrund der Umstände. Dieses Fundament hat nun Risse bekommen. Ich hinterfrage nun all unsere Unterschiede und ihn als Person ganz generell und frage mich inzwischen (und diese Frage macht mich wirklich wahnsinnig), ob ich ihn überhaupt je richtig „gekannt" bzw. eingeschätzt habe. Habe ich mir unsere Beziehung schön geredet? Jahrelang? War es eigentlich schon immer klar, dass wir im Grunde genommen nicht zueinander passen? Eine leise Stimme in mir sagt, dass das Quatsch ist. 5 von 7 Jahren war ich weitestgehend glücklich, habe mir nie diese grundlegenden Gedanken gemacht. Es war definitiv nicht immer einfach, ich könnte sicherlich eine harmonischere/ruhigere Beziehung mit einem mir ähnlicheren Partner führen. Aber die Liebe war immer da. Aber in den letzten 1-2 Jahren hebeln uns unsere Unterschiede irgendwie aus. Sie sind aktuell eher eine Belastung und keine Bereicherung. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass viel von dem, was mein Mann positiv in die Beziehung einbrachte, durch seine Depressionen temporär (?) weggefallen ist.
Abgesehen von der grundsätzlichen Passung nagen aber auch diese Konflikte vermehrt an mir und ich frage mich in sehr schwarzen Momenten, wen ich eigentlich geheiratet habe…in Bezug auf diese Abwertungen, denn die finde ich furchtbar. Eigentlich wusste ich immer, wer er ist. Ein fürchterlich gutherziger, aber leider manchmal unsicherer Kerl. Er war auch immer offen und ehrlich stolz auf mich und meine Laufbahn. Vielleicht mal unsicher in Bezug auf kleinere Verlustängste, aber er hat mich immer positiv unterstützt und ich hatte nie das Gefühl, er will mich irgendwie klein machen. Dadurch, dass sein Selbstwert in den letzten 1-2 Jahren aber ziemlich gelitten hat, ist das irgendwie umgeschlagen. Im Alltag nicht, aber eben im Streit, wenn es emotionaler wird. In den Konflikten sehe ich diese Angriffslust und Härte und fühle mich meilenweit weg von ihm. So liebe ich ihn nicht, diese Art und Weise will ich nicht auf Dauer in unserer Beziehung bzw. an meinem Mann sehen. Hinzu kommt natürlich, dass diese Krise parallel zur Schwangerschaft und Geburt unseres zweiten Kindes lief, was diese eigentlich schöne und besondere Zeit doch öfter als mir lieb ist überschattet hat.
Tja. Das ist so ungefähr die Ausgangslage. Für mich steht fest, dass wir in guten und in schlechten Zeiten zueinander stehen. Und natürlich haben wir unsere Kinder und der Gedanke an eine Trennung macht mir auch (nicht nur!) deswegen absolute Übelkeit. Es zerreißt mir das Herz. Ich meine auch, meinen Mann eigentlich besser zu kennen, frage mich aber inzwischen, wie die Differenzen und der Graben zwischen uns (oder eher in mir) wieder zu schließen sind. Ich bin total sensibel inzwischen. Und ständig genervt, von irgendwie allem an ihm. Seine Unordnung, sein Chaos, ich bin ungeduldig in Gesprächen, und und und. Eigentlich hat sich im Umfeld so viel stabilisiert, es geht aufwärts, vieles hat sich sortiert, er ist in Therapie usw. Aber ich frage mich, ob ich mich nun doch zu sehr entfremdet habe..:ich frage mich andererseits, ob ich mich selbst da vielleicht auch zu negativ in meine Gedankenspiralen reindrehe. Generell frage ich mich gerade sehr viel, was in Anbetracht eines erst ein paar Wochen alten Babys wirklich sehr belastend ist. Da hämmert nämlich eigentlich das Bindungssystem und man möchte das neue Familienglück genießen. Aber ich möchte das Ganze auch nicht einfach ignorieren, was in mir los ist. Das geht momentan auch gar nicht.
Ich belasse es nun erstmal hierbei, wenn ihr Fragen habt, bitte immer gerne her damit. Danke fürs „zuhören" (lesen). Ich habe es leider nicht geschafft, mich kürzer zu fassen…